Geschichtsstunde im Behrensbau
Zentrale der Mannesmann-Röhrenwerke, Militärverwaltung der Franzosen, nach 1945 der britischen Militärregierung; dann Sitz des ersten NRW-Ministerpräsidenten, Konzernzentrale von Vodafone, Flüchtlingsunterkunft: Das Verwaltungsgebäude am Mannesmannufer in Düsseldorf, später um das markante Hochhaus von Paul Schneider-Esleben ergänzt, hat sich in seiner über 110-jährigen Geschichte als äußerst flexibel erwiesen. Geplant und in nur zwei Jahren erbaut (1910 - 12) hat es der Architekt und Designer Peter Behrens, nach dem das Bauwerk heute als „Behrensbau“ genannt wird. Eine Gruppe junger Planerinnen und Planer besuchte am 1. August die dort zu erlebende Ausstellung „110 Jahre Behrensbau. Architektur und Geschichte“ (noch bis zum 05.11.23, Eintritt frei).
Die Gruppe von Junior-Mitgliedern der AKNW und jungen Nachwuchsplaner*innen wurde von einer der Kuratorinnen der Ausstellung, Dr. Stefanie Johnen vom Haus der Geschichte NRW, geführt. „Wir sagen immer: Das Gebäude selbst ist das größte Ausstellungsstück, über das wir als Haus der Geschichte NRW verfügen“, führte Dr. Johnen in das Thema ein. Die Ausstellung erzählt die wechselvolle Geschichte des Bauwerks, des Mannesmann-Konzerns und des Architekten Peter Behrens. und den Mannesmann-Konzern in den Blick. Die Nutzung beginnt im Dezember 1912 mit dem Einzug der Verwaltung des Bauherrn, der Mannesmannröhren-Werke AG. Zu diesem Zeitpunkt ist das Bürogebäude eines der modernsten in Deutschland. Die Architektur ist wegweisend und flexibel, sie schafft Raum für eine Arbeitswelt im Wandel. Die Ausstellung schließt mit der Übernahmeschlacht mit Vodafone im Jahr 2000. „Wir wollen mit der Ausstellung die Hintergründe vermitteln, die zu den zahlreichen Umnutzungen dieses Bauwerks geführt haben“, erläuterte Dr. Stefanie Johnen der JA*-Gruppe. „Dabei sparen wir auch die Zeit des Nationalsozialismus nicht aus.“ Wobei Dr. Johnen einräumen musste, dass das Mannesmann-Archiv bis heue weder der Öffentlichkeit noch der Forschung umfassend zugänglich ist.
Fotos, Skizzen und Designobjekte veranschaulichen außerdem den Werdegang von Peter Behrens, der den Verwaltungssitz für die Mannesmannröhren-Werke als junger Architekt entwarf. Der Mitbegründer des Werkbundes war ursprünglich Maler, dann als Industriedesigner (u.a. für viele AEG-Produkte) erfolgreich und konzentrierte sich schließlich auf sein Architekturbüro, in dem zeitweise unter anderem Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier gleichzeitig mitarbeiteten. Im Alter von 34 Jahren wurde Behrens zudem als Direktor der Kunstgewerbeschule Düsseldorf bestellt - woran die Namensgebung der heutigen „Peter Behrens School of Arts“ (Fachbereich Architektur/Innenarchitektur der Hochschule Düsseldorf) erinnert.
Junior-Architektin Melis Fan, die an der PBSA studiert hat, zeigte sich nach dem Kuratorinnen-Rundgang durch die Ausstellung beeindruckt von der Gestaltungskraft des Architekten Peter Behrens sowie von der Flexibilität des Bauwerks am Rheinufer. „Ich interessiere mich seit meinem Studium für Peter Behrens, und diese Ausstellung hier in seinem vielleicht wichtigsten Bauwerk vorgestellt zu bekommen, war schon ein ganz besonderes Erlebnis“, sagte Melis Fan nach dem gut einstündigen Rundgang.
Auch Junior-Architekt Fabian Scholten hatte sein historisches Interesse zu der Veranstaltung der AKNW-Kampagne „Sag JA*/Junge Planerinnen und Planer“ gelockt. „Der Behrensbau ist eigentlich ein modernes Gebäude, weil es durch seine Bauweise, alle Lasten über die Außenwände abzutragen, bis heute eine große Flexibilität in der Nutzung ermöglicht.“
Nachdem der Behrensbau im Jahr 2019 als künftiger Standort für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ vorgesehen wurde, begannen bereits Renovierungs- und Umbauarbeiten für das neue Geschichtsmuseum. Der Umbau ist ein auf mehrere Jahre angelegtes Revitalisierungsprojekt eines bedeutenden Architekturdenkmals unseres Landes. Nach Angaben der Stiftung Haus der Geschichte NRW sollen dem Museum künftig etwa 7.000 Quadratmeter Nutzungsfläche zur Verfügung stehen. Davon sollen rund 3.000 Quadratmeter für die Dauerausstellung und rund 1.500 Quadratmeter für Wechselausstellungen genutzt werden.
Ergänzend werden Räume für die museale Infrastruktur sowie für vielfältige Bildungs- und Vermittlungsformate hergerichtet. Zudem werden in den oberen Bereichen ergänzende Räume für die Landesregierung NRW geschaffen.
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