Gesucht: Architekten für den Öffentlichen Dienst! - Ein Kommentar
In den Medien wurde in den letzten Wochen verstärkt diskutiert, warum große Bauvorhaben der Öffentlichen Hand immer wieder sowohl im Zeit - als auch im Kostenplan aus dem Ruder laufen. - AKNW-Vizepräsident Reiner Fuest über die strukturellen Hintergründe für diese Entwicklung.
Liebe Kollegin,
lieber Kollege,
in den Medien wurde in den letzten Wochen verstärkt diskutiert, warum große Bauvorhaben der Öffentlichen Hand immer wieder sowohl im Zeit- als auch im Kostenplan aus dem Ruder laufen. Aufreger in NRW waren beispielsweise das Kongresszentrum der Vereinten Nationen in Bonn und der Dortmunder U-Turm. Aber auch viele kleinere Projekte in Städten und Gemeinden brachten beispielsweise den Bund der Steuerzahler in der Juli-Ausgabe seines Magazins zu der Schlagzeile: „2 x 3 macht 9 - Warum Bauvorhaben der öffentlichen Hand so oft teurer werden.“Die Antworten, die in dem Artikel des „Steuerzahlers“ gegeben werden, sind plausibel und richtig: Ein Mangel an Detaillierung in der frühen Phase der Projektentwicklung, nachträgliche Änderungen der Planung durch politische oder rechtliche Einflussnahmen, Kostenkalkulationen am unteren Rand und mit veralteten Kennwerten etc. Einen zentral wichtigen Punkt streift der Beitrag allerdings nur am Rande: Die Frage, inwieweit die öffentlichen Auftraggeber selber personell in der Lage sind, Projekte zu entwickeln, Planungs- und Bauprozesse zu steuern und kompetent zu begleiten.
Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen warnt seit langem vor der Entwicklung, im Zuge von Sparbemühungen in Ländern und Kommunen Fachpersonal in den Bauämtern abzubauen. Seit Jahren ist eine dramatische Ausdünnung des Personals zu beobachten, von der Sachbearbeitung bis hin zu den Leitungspositionen. Kommunen, die ihr Bau- und Planungsamt beispielsweise einem Juristen anvertrauen statt einem Architekten oder Stadtplaner, mögen sich rechtlich gut aufgehoben wähnen. Sie vergeben aber die Chance, Leitungspersönlichkeiten zu gewinnen, die fundierte städtebauliche Konzepte entwickeln können. Und sie nehmen sich auch die Gewissheit, Dezernenten und Abteilungsleiter in ihren Reihen zu haben, die Bau- und Planungsprojekte inhaltlich durchdringen können und entsprechend frühzeitig agieren können, um Fehlentwicklungen zu verhindern.
Der Abbau von Fachpersonal hat dazu geführt, dass die Öffentliche Hand Aufgaben der Projektsteuerung und Bauleitung und -überwachung an Dritte vergeben muss. Hier wiederum kommen häufig Fachfremde im Einsatz, die bisweilen zwar Planungen der Architekten bis ins letzte Detail aus der Perspektive eines Controllers prüfen. Die aber nicht in der Lage sind, auf notwendige Planungsänderungen, Störungen im Bauablauf, etc. fachkompetent zu reagieren. Geht doch etwas schief, wird die Schuld schnell dem Architekten zugeschoben.
Auf diese Weise führt der Mangel an Architektinnen und Architekten im Öffentlichen Dienst zwangsläufig immer häufiger zu einer Aufgabenzersplitterung mit unklarer Verteilung von Zuständig- und Verantwortlichkeiten. Auftragsvergaben nehmen dabei bisweilen kafkaeske Züge an, etwa dann, wenn für Auftragsabweichungen von 200 € umfangreiche Nachtragsbeauftragungen notwendig gemacht werden.
Was also ist zu tun? Freischaffende Architektinnen und Architekten und ihre Auftraggeber brauchen starke Fachkollegen in den Verwaltungen, die auf Augenhöhe mit ihnen diskutieren und verhandeln können. Und die aufgrund ihrer Kompetenz auch innerhalb ihrer Häuser durchsetzungsfähig sind. Noch gibt es in der Summe zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die in Kommunen und Landesverwaltungen engagiert und kompetent arbeiten. Aber - sie werden weniger. Dagegen wird die Architektenkammer NRW weiter ihre Stimme erheben, gerade in den anstehenden Gesprächen mit der neuen Landesregierung und den Bezirksregierungen. Die in den Medien diskutierten Beispiele für Bauprojekte, die aus dem Ruder laufen, geben uns dafür - leider - unterstützende Argumente an die Hand.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Reiner Fuest
Vizepräsident der
Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
fuest@aknw.de
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