Redner und Impulsgeber (v. l.): Moderator Christof Rose, Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey, AKNW-Präsident Ernst Uhing, Marcel Cardinali (TH OWL), Franz Reschke (FRL Landschaftsarchitekten), Bürgermeister Daniel Hartmann und Prof. André Habermann (habermann.decker.architekten) – Foto: Sven Sacher

Grüne Infrastruktur als Standortfaktor

​​​​​​​Ein „Riesengewinn“ für die Kreisstadt Höxter sei die Landesgartenschau 2023, die am 20. April in Höxter eröffnet wurde. Das sagte der Bürgermeister Kreisstadt, Daniel Hartmann, in seinem Grußwort zu jüngsten „Kammer vor Ort“-Veranstaltung der AKNW, zu der sich am 10. Mai mehr als 200 Kammermitglieder im Festsaal auf Schloss Corvey trafen. Die LaGa 2023 stand im Mittelpunkt des Vortragsabends, auf dem über die aktuelle baukulturelle Entwicklung in der Region diskutiert wurde.

12. Mai 2023von Christof Rose

Die aktuelle Landesgartenschau erstreckt sich auf 31 Hektar von der historischen Wallanlage der Stadt Höxter entlang der Weser bis zum Weltkulturerbe Schloss Corvey. „Wir haben vier Bereiche geschaffen“, erläuterte Landschaftsarchitekt Franz Reschke (Berlin), der den Wettbewerb zur LaGa23 gewonnen hatte. Herausgearbeitet habe man die schattigen Wallanlagen rund um die Innenstadt; neu geschaffen wurden „erzählerische Gärten“ entlang der Weser und eine „gärtnerische Fülle“ im historischen Remtergarten des Schlosses. Schließlich wurde eine früher ungestaltete Fläche im Weserbogen, in deren Untergrund die Überreste der historischen, bereits im Jahr 1265 zerstörten „Civitas Corvey“ liegen, als „archäologischer Garten“ gestaltet. „Die Aufgabe war für uns als noch junges Büro eine große Herausforderung“, resümierte Franz Reschke, dessen Büro FRL auch den Wettbewerb für die nächste Landesgartenschau „Neuss 2026“ gewinnen konnte.

Rundgänge und Hintergründe zur LaGa23

Auf sechs geführten Rundgängen über das Landesgartenschaugelände konnten sich die Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekt*innen sowie Stadtplanerinnen und Stadtplaner davon überzeugen, dass die Landesgartenschau 2023 nicht nur attraktive Gärten und Freiräume, sondern auch strukturelle Verbesserungen für den Kreis Höxter bedeutet. „Wir sind froh über die neuen Anlagen und die große Aufmerksamkeit, die uns die LaGa23 bringt“, erklärte auch der Gastgeber, Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey, in dessen Familienbesitz sich das Schloss seit der Säkularisierung im Jahr 1803 befindet. „Ich hege eine große Passion für das Bauen - und dieses Ensemble ist eine Dauerbaustelle“, so der Herzog in seiner Begrüßung zur „Kammer vor Ort“-Veranstaltung. Er sei dankbar für das Know-how der Architektinnen und Architekten, um diesen einmaligen Ort zu bewahren und zugleich weiterentwickeln zu können.

Kleines Museum als großer Besuchermagnet

Als weiteres baukulturelles Highlight in Ostwestfalen-Lippe stelle Prof. André Habermann (habermann.decker.architekten, Lemgo) das „Museum Peter August Böckstiegel“ in Werther vor. Im Jahr 2014 - anlässlich des 125. Geburtstages des expressionistischen Malers Böckstiegel - hatte der Kreis Gütersloh beschlossen, unweit des Geburtshauses des Künstlers ein neues Museum zu errichten. Im Wettbewerb hatte sich der Entwurf von André Habermann durchsetzen können. „Ich stamme selbst aus der Nachbarschaft; deshalb konnten wir in unserem Entwurf sehr gut die künstlerische Haltung Böckstiegels in Architektur für das Museum übersetzen“, erklärte Prof. Habermann. Er ließ das Publikum den Entwurfsprozess anhand von Landschaftsaufnahmen, aber auch von Bildern des Malers Böckstiegel, eng nachvollziehen. Im Ergebnis präsentiere sich der Neubau als ein „Findling“ auf der Wiese vor dem Geburts- und Atelierhaus des Malers. Das Gebäude wurde nicht nur vielfach ausgezeichnet, sondern hat sich auch als Besuchermagnet erwiesen. „Die jährlichen Besucherzahlen sind von 5000 auf heute 30 000 angeschwollen“, so Prof. André Habermann, „das zeigt, welche Strahlkraft von Architektur auch und gerade im ländlichen Raum ausgehen kann.“

Natur-basierte Lösungen in Architektur und Stadtplanung

Welche Wirkungen kann „Grün“ und können „natur-basierte Lösungen“ für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen zeitigen? Mit dieser Frage befasst sich Marcel Cardinali vom „Institute for Design Strategies“ der TH OWL in einem Forschungsprojekt. „Grundsätzlich ist uns der positive Effekt sicherlich vertraut - aber was ist mit den Stadtteilen, die heute schon stark benachteiligt sind“, fragte Cardinali, der gegenwärtig zu diesem Problem promoviert. Im Rahmen des EU-Forschungsprojektes URBiNAT werde erforscht, wie jenseits von Innovations- und Highlight-Projekten auch in geförderten Wohnsiedlungen „nature-based solutions“ implementiert werden können.

„Klassentreffen“ der Kammermitglieder aus OWL

Die Vorträge hätten deutlich gemacht, wie qualitätvolle Gestaltungen von Architektur und Freiräumen nicht nur Regionen in der öffentlichen Wahrnehmung und Nutzbarkeit aufwerten könnten, resümierte Ernst Uhing, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, die „Kammer vor Ort“-Veranstaltung in Höxter. Zu dem Format gehöre auch der kollegiale Austausch, zu dem die Architektenkammer NRW anschließend im Rahmen eines Imbisses im Schloss Corvey einlud. „Toll, dass die AKNW zu uns in den nordöstlichen Zipfel unseres großen Bundeslandes kommt“, meinte nicht nur Catrin Will, als Architektin bei der Stadt Detmold für Denkmalschutz zuständig. „Die Kammer vor Ort-Veranstaltung ist nicht nur inhaltlich bereichernd, sondern auch wie ein Klassentreffen aller Kammermitglieder aus OWL!“

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