KI, Big Data, 3D-Druck und Robotik

Wie verändert die Digitalisierung unseren Arbeitsalltag in den kommenden Jahren? Einen Nachmittag lang folgten über 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Vorträgen und Impulsen der zweiten „Regionalkonferenz Digitalisierung“ der Architektenkammer, die am 10. Februar live aus dem „Haus der Architekten“ in Düsseldorf gestreamt wurde.

15. März 2022von Bendix Loevenich / Christof Rose

Eingeladen hatten die Architektenkammer aus Nordrhein-Westfalen und die Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen sowie die Bundesarchitektenkammer. Es ging um die Digitalisierungsstrategie auf den Ebenen des Bundes und der Länder NRW und Hessen sowie um technische Innovationen im Bereich des Planens und Bauens.

Der digitale Wandel wirft auch Fragen nach der Rollenverteilung der an Planungs- und Bauprozessen Beteiligten auf. Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, unterstrich in seinem Begrüßungsstatement, die Architektenschaft müsse auch im digitalen Zeitalter die „Systemführerschaft“ behalten. Dies sei auch deshalb wichtig, damit nicht technologische Aspekte das Baugeschehen im Lande prägten.
Der parlamentarische Staatssekretär im noch neuen Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Sören Bartol, betonte, dass alle Beteiligten im Bauwesen „gemeinschaftlich und effizient“ arbeiten müssten, da eine erfolgreiche Digitalisierung die Teilhabe Aller voraussetze - auch der kleinen und mittelgroßen Architekturbüros. Deshalb setze die Bundesregierung auch auf einheitliche Standards im Rahmen der Planungsmethode „Open BIM“. Ziel sei, so Bartol, ein „bruchfreier Antragsprozess und eine vollständige Digitalisierung“ des Planungs- und Bauverfahrens. Hier müsse man konsequent Schritt für Schritt vorangehen.

Digitaler Bauantrag

Wie weit ist man in Österreich mit der Etablierung von BIM-basierten Bauanträgen? Diese Frage beantworteten die Architektin Tina Krischmann (office for digital engineering ODE) und der Bauingenieur Prof. Dr. Christian Schranz aus Wien. Sie begleiten die österreichische Hauptstadt bei dem Forschungs- und Entwicklungsprogramm „BRISE Vienna“, das durch den Einsatz innovativer Technologien für rein digitale Baugenehmigungen sorgen soll.
Über den Zeitraum von zwei Jahren wurde ein Referenzmodell entwickelt, in dessen Rahmen dann Bauantragsmodelle formuliert wurden. Aktuell befände sich ein Dutzend konkreter Genehmigungsprozesse im Test.
Wichtig war Tina Krischmann und Prof. Christian Schranz die Systemoffenheit, die über eine IFC-Schnittstelle gewährleistet werde, sowie die Sicherstellung hoher Planungsqualität.

Digitaler Architektenstempel

Der Moderator der Veranstaltung, AKNW-Pressesprecher Christof Rose, knüpfte daran in der folgenden Diskussion an, in welcher Tina Krischmann ihre Erfahrungen aus Österreich mit den praktischen Erkenntnissen aus Deutschland spiegelte. Im Gespräch mit dem Architekten Matthias Pfeifer (RKW Architektur +) und dem Geschäftsführer der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, Dr. Martin Kraushaar, wurde deutlich, dass die Einführung des digitalen Bauantrags eine erhebliche Beschleunigung des Baugenehmigungsprozesses bringen kann – bei konsequenter Umsetzung. Matthias Pfeifer und Martin Kraushaar stellten die „digitale bundesweite Auskunftsstelle der Architekten- und Ingenieur-
kammern (di.BAStAI)“ vor, in welcher Bauaufsichtsbehörden die Bauvorlageberechtigung von Einreichenden überprüfen können. „Wir haben damt den Architektenstempel in das digitale Zeitalter transformiert“, fasste Matthias Pfeifer den Grundgedanken zusammen.
Dass „di.BAStAI“ einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum digitalen Bauantrag darstelle, unterstrich auch die Präsidentin der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, Brigitte Holz. Es sei wichtig, die Vorlageberechtigung in kompetenten Händen zu bewahren: „Architektinnen und Architekten tragen stets Verantwortung nicht allein für ihre Auftraggeber, sondern immer auch für die Gesellschaft.“  

Daten-Visualisierung in Echtzeit

Nach einer kurzen Pause läutete Moderator Christof Rose den praxisbezogenen Teil des Nachmittags ein. Prof. Dr. Michael Roth von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen stellte den Zuschauenden, die sich über die Chat-Funktion an den fachlichen Gesprächen beteiligen konnten, Beispiele für die Daten-Visualisierung in Echtzeit vor. „Damit können wir auch Laien fachliche Strukturen und komplexe Datenblöcke verständlich kommunizieren“, bekräftigte Prof. Roth die Bedeutung dieser Technik für die Beteiligung von Bürgern in Planungsprozessen. An verschiedenen Beispielen zeigte er die Möglichkeit zur Visualisierung auf, von statischen Renderings bis hin zu Videos, bei denen der Nutzer sich um 360 Grad drehen kann.

3D-Druck von Fassaden

Eine weitere Anwendung von Digitalisierung in der Architektur zeigte Prof. Dr. Moritz Mungenast von der Internationalen Hochschule Mannheim, der an der TU München an der Entwicklung von Fassaden aus dem 3D-Drucker geforscht hat. Sein Schwerpunkt lag hierbei auf der Funktionsintegration.
So entwickelte Prof. Mungenast eine recycelte Fassade in mehreren Ebenen, die verschiedene Funktionen (Lüftung, Wärmeschutz, Schallschutz, Widerstandsfähigkeit) in einem einzigen Produktionsprozess zusammenfasst. „Auch gestalterisch eröffnet diese Technik ungeahnte Möglichkeiten“, zeigte sich Prof. Mungenast sicher und präsentierte die Planung für ein Fassadenelement am Deutschen Museum in München.
Für Prof. Mungenast liegt die Chance des 3D-Drucks insbesondere bei der Fabrikation von einzelnen Gebäudeteilen oder -modulen. „Dass wir in großer Zahl ganze Bauwerke aus dem Drucker realisieren werden, halte ich für eher unwahrscheinlich“, so seine Prognose auf Nachfrage aus dem Auditorium. Mit Blick auf den ökologischen Fußabdruck der 3D-Bautechnik zeigte sich Moritz Mungenast hingegen optimistisch: Das Material werde verlustfrei eingesetzt, und es liefen bereits Forschungen zur Verwendung nachwachsender Rohstoffe: Holz, Algen, Muschelkalke. „In meinen Augen stehen wir vor einer neuen Ära des Planens und Bauens“, fasste Prof. Mungenast zusammen, „vom digitalen Design direkt zum finalen Produkt“.

KI, Robotik, Big Data

„In den nächsten fünf Jahren wird alles auf den Kopf gestellt“, zeigte sich auch Christian Baudis überzeugt. Der „Digital-Scout“ und frühere Google-Deutschland-Chef weitete zum Abschluss der „Regionalkonferenz Digitalisierung“ die Perspektive mit Blick auf grundsätzliche Change-Prozesse in der digitalen Gesellschaft. „Die Baubranche muss schnell reagieren, um nicht abgehängt zu werden.“
Die Zukunft der Digitalisierung liegt seiner Meinung nach in den Themenfeldern Robotik, Künstliche Intelligenz, Sensorik, Big Data, Digitale Gesundheit und Cyber-Security. Im Bereich des Planens und Bauens müsse es um die Nutzung von Daten zur optimalen Steuerung von Gebäuden gehen, in der Stadtplanung um die Lenkung von Verkehrsströmen und um Prognosemodelle. „Mit intelligenter Bilderkennung lassen sich Bestandsbauwerke analysieren; Bauteile können elektronisch markiert und jederzeit wiedergefunden werden.“ Digitalisierung werde sich immer dort durchsetzen, wo durch sie ein konkreter Nutzen entsteht, resümierte Christian Baudis.
Den Schlusspunkt der insgesamt dritten „Regionalkonferenz Digitalisierung“ setzte die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Andrea Gebhard. Sie stellte noch einmal fest, dass „Architektinnen und Architekten mit ihrer koordinierten Rolle am Bau prädestiniert dafür sind, ihren Beitrag zum digitalen, nachhaltigen und kulturell wertvollen Planen und Bauens einzubringen“.       

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