KI und regionale Baukultur
Wie wird KI die Architektur und Planungsprozesse verändern? Und welche Auswirkungen können diese Entwicklungen für die regionale Baukultur entfalten? - Diese Fragen standen im Mittelpunkt der „Kammer vor Ort“-Veranstaltung, zu der die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ihre Mitglieder aus der Städteregion Aachen in „Depot“ eingeladen hatte.
Vor mehr als 150 anwesenden Planerinnen und Planern brachte Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer NRW, die Positionen des Kammervorstands zum Berufsbild der Architektenschaft im Zeitalter Künstlicher Intelligenz (KI) als Impulse ein. Wichtig sei, dass die Architektenschaft auch in einem sich ändernden Arbeitsfeld verantwortlicher Systemführer bleibe. „KI ist ein Werkzeug, das allerdings Rückwirkungen auf unsere Arbeit entfaltet“, stellte Präsident Uhing fest. Die Verantwortung beim Einsatz von KI müsse bei den zuständigen Akteur*innen verbleiben und auch entsprechend honoriert werden. Die Architektenkammern seien im bundesweiten Verbund dabei, eine Strategie insbesondere für kleinere und mittlere Bürogrößen zu entwickeln, um Einsatzfähigkeit und zugleich die Datenhoheit zu behalten.
Regionale Spezifika entwickeln
Aachens Stadtkonservatorin Monika Krücken erläuterte, dass Künstliche Intelligenz bei der Erfassung der mehr als 4.000 Aachener Denkmäler von großem Nutzen sein könnte. Regionale Baukultur sei ein Schlüssel, damit Bürgerinnen und Bürger sich mit ihrer Stadt identifizieren könnten. Die Aachener Baukultur sei unglaublich differenziert, so Krücken. „Umso wichtiger ist es für uns als Stadt Aachen, diese gebauten Identifikationspunkte zu erhalten.“
(Sub-)Symbolische KI
Einen wissenschaftlichen Impuls gab Prof. Jakob Beetz von der RWTH Aachen. „Ich möchte, dass KI meine Wäsche und meinen Abwasch erledigt, damit ich meine Kunst machen kann - und nicht umgekehrt“, zitierte Beetz die Science-Fiction-Autorin Joanna Maciejewska. Auf die Architektur bezogen würde KI beispielweise für unliebsame, repetitive Arbeiten ideal einsetzbar sein. Prof. Beetz mahnte die Verantwortung der Architektenschaft bei der Bewältigung der Klimakrise an und betonte, „die besten Bauwerke seien die, die wir nicht mehr bauen“. KI könne dabei helfen, Verfahren zu optimieren, den Ressourcenverbrauch zu minimieren und damit Klimaschutzaspekte in Planungen zu integrieren.
Die verschiedenen Arten von KI verglich Beetz mit den zwei Hälften eines Gehirns. Eine Hälfte stelle die sub-symbolische KI dar, die über Mustererkennung und das probabilistische Vorhersagen, basierend auf eingespeisten Daten, funktioniere. Die dazu notwendigen Trainingsdaten könnten für Planerinnen und Planer beispielsweise städtebauliche Situationen sein. Ein weiterer Einsatzzweck für sub-symbolische KI könnte das automatisierte Vorhersagen von Qualitäten und Dimensionen von Bauwerken sein. Die andere Hirnhälfte, die symbolische KI, nannte Beetz die explizite Wissensvermittlung durch Regeln. Würden beispielsweise Bautagebücher maschinell ausgewertet, könne das Wissen aus 40 Jahren Erfahrung auch über den eigenen Ruhestand hinaus erhalten bleiben.
In der Lehre spiele Künstliche Intelligenz schon jetzt eine große Rolle, berichtete Jakob Beetz. Studierende müssten in die Lage versetzt werden, mit sämtlichen digitalen Mitteln umzugehen. Zum Abschluss appellierte Beetz wie zu Beginn an die Architektenschaft: „Lassen Sie sich die schönen Dinge durch KI nicht wegnehmen!“
Ressourcengerechter Planen mit KI
Falk Wagner, digital architect bei FORMITAS und selbsternannter „Digitaloptimist“, stellte Wege zur Nutzung von KI als Tool für nachhaltige Entscheidungen im Bausektor vor. Nachhaltigkeit würde oft mit Ressourcenverbrauch in Verbindung gebracht. Künstliche Intelligenz würde jetzt erst für uns interessant, da es ein „sprechendes Werkzeug“ sei, so Wagner. Der Bausektor sei durch die Faktoren Termine, Kosten, Qualitäten und Ressourcen bestimmt. Digitale Prozesse wie BIM ermöglichten frühe Entscheidungen im Bauprozess, und KI könnte helfen, den Gesamtaufwand zu minimieren.
Am Bau erzeugte Daten seien für KI nicht direkt nutzbar, bedauerte Falk Wagner. Die Qualität der Daten sei dafür noch zu volatil, da sie von der Handskizze bis zum digitalen Zwilling reichten. Durch die maschinelle Aufbereitung und maschinelles Lernen könnten diese Daten künftig in einer Art „Warehouse“ abrufbar sein. Künstliche Intelligenz könne für den kreativen Prozess „ein großartiges Werkzeug“ sein; die Architektenschaft solle dabei aber stets hinterfragen, wofür KI genau genutzt werden soll.
Schöner als echt?
„Schöner als echt – wie können KI-generierte Bilder unser Architekturverständnis beeinflussen?“ Dieser Frage gingen Ina-Marie Orawiec, Geschäftsführerin von OX2architekten, und ihre Mitarbeiterin Saskia Schmidt im dritten Vortrag des „Kammer vor Ort“-Abends auf den Grund. „Was ist regionale Baukultur?“ fragten die beiden Referentinnen die bildgenerierende KI von Adobe. Um Aachen bildlich darzustellen, fütterten sie dafür die KI mit Begrifflichkeiten, die sie mit Aachen verbanden. Die ausgegebenen Ergebnisse erinnerten jedoch kaum an eine Stadt, die Aachen glich.
In einem interaktiven Teil des Vortrages durfte das Publikum erraten, ob abgebildete Orte echt oder KI-generiert seien, was im Publikum teils zu Uneinigkeit, teils zu Heiterkeit führte. Bildgenerierung sei eben nur „der stochastische Papagei, der repliziert, was am häufigsten von den Nutzerinnen und Nutzern abgefragt wird“, erläuterte Ina-Marie Orawiec. Die Architektenschaft habe noch nicht definiert, was die Maschine liefern soll. Den Beginn und das Ende von regionaler Baukultur sahen die beiden Referentinnen nicht in Verwaltungsgrenzen. Indikatoren seien für Aachen beispielsweise lokale Materialien wie Blaustein, Lütticher Kalkstein oder die Braunkohle für die Energiegewinnung. Diese lokal bedingten Materialien führten zu Traditionen, die wiederum von der Geschichte geprägt werden. Römische Thermen oder mittelalterliche Stadtstrukturen seien Überbleibsel dieser Baugeschichte.
Als Aufgabe für Planerinnen und Planer formulierte Orawiec, eine Welt zu entwerfen, in der Künstliche Intelligenz ein Teil sei. Um dieser Aufgabe gewappnet zu sein, appellierte sie abschließend an die Architektenschaft, sich mit der eigenen Kompetenz in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz einzubringen.
In der Schlussdiskussion, zu der Moderator Christof Rose, Abteilungsleiter Kommunikation der AKNW, das Publikum einlud, wurden ergänzend kommerzielle und kulturelle Hintergründe der gegenwärtig sich etablierenden KI-Systeme hinterfragt. - Ein Thema, das seine Fortsetzung in der anstehenden „Regionalkonferenz Digitalisierung: Künstliche Intelligenz & Nachhaltigkeit“ am 5. Dezember 2024 finden wird. Dann nicht „vor Ort“, sondern online.
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