Kommentar: Eine ganze Branche vor dem Burnout?

Welche Erwartungen haben die Mitglieder der AKNW an ihre Architektenkammer Nordrhein-Westfalen? Ein Interview mit unserer Kollegin Isabell Battenfeld (33) aus Köln.

18. August 2022von Katja Domschky


Lieber Kollege,
liebe Kollegin,

ich möchte diese Zeilen heute gerne dazu nutzen, mit Ihnen in einen Dialog zu treten. Ich möchte erfahren, welche Erwartungen die Mitglieder der AKNW an ihre Architektenkammer Nordrhein-Westfalen haben, um daraus Erkenntnisse für unsere berufspolitische Arbeit abzuleiten.
Exemplarisch habe ich mit unserer Kollegin Isabell Battenfeld (33) aus Köln gesprochen. Sie betreibt seit sieben Jahren das Büro Isabell Battenfeld Architects und beschäftigt drei Mitarbeiter*innen. Ich habe mit ihr über Beruf und Kammer gesprochen.

Hat sich Ihr Berufsalltag seit der Gründung Ihres Architekturbüros verändert?
Ja, sehr. Ich konzentriere mich auf das eigentlich klare Auf-gabenfeld „Wohnen“. Anders als in den ersten Jahren muss ich heute Bauherrinnen und Bauherren stärker für andere Wohnformen oder den erforderlichen Platz in Wohnungen und Häusern sensibilisieren. Dazu brauche ich eigene, neue Lösungen, die viel mehr Aufwand als früher bedeuten und einen großen Teil meiner Akquisition ausmachen.

Wie kann die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen aus Ihrer Sicht künftig noch besser werden?
Grundsätzlich habe ich die Haltung: Mitgliedschaft verpflich-tet auch zum Mitwirken! Das ist bei größeren Organisationen oftmals nicht ganz einfach.
Die Kammer scheint mir sehr politisch organisiert. Nach meinem Eindruck treffen dabei häufig ältere Menschen Entscheidungen für die Jüngeren. Ich selbst wünsche mir mehr Möglichkeiten, mich unmittelbarer zu engagieren. Wo kann ich ohne den Umweg über Verbände und Gremien eigene Vorschläge einreichen? Es sind mir keine Möglichkeiten bekannt, dies heute zielführend und niederschwellig zu machen. Insofern nutzt die Architektenkammer das Potenzial ihrer Mitglieder aus meiner Sicht nicht genug.

Wie sieht Ihr persönlicher Blick nach vorne aus?
Derzeit belasten mich viele unsichere Aspekte: Mangel an Fachkräften, Pandemie, Engpässe bei Materialien und Rohstoffen, gestiegene Kosten, steigende Zinsen, zunehmende Regulierung – all das führt zu Problemen bei Planung und Kalkulation. Manchmal habe ich das Gefühl, die fallenden Dominosteine nicht aufhalten zu können. Wo finde ich den gesuchten Handwerker, wie halte ich die Bauzeiten ein? Als Architektin bin ich schnell an allem „schuld“. Oft sieht der Bauherr in mir die Troubleshooterin, die allein seine Interessen berücksichtigen muss.
Dazu kommt die Erfüllung der sich ständig verändernden Vorschriften und Gesetze, mit deren Verfassern ich gerne einmal einen Praxistest unternehmen würde. Manchmal wünsche ich mir mehr Unterstützung der Politik; die kurzfristig veränderten KfW-Förderbedingungen nenne ich hier mal als Beispiel für eine vertane Chance.

Die Baubranche braucht hohe Standards, die dann inhaltlich und finanziell gefördert werden. Die Nöte unserer Branche werden nicht gesehen, wir werden stiefmütterlich behandelt. Mich beschleicht das Gefühl, dass die ganze Baubranche kurz vor einem Burnout steht.

Macht Ihnen Ihr Beruf trotzdem Freude?
Ja, meine Freiheit als selbstständige Architektin ist immer noch eine große Komponente. Auch nach sieben Jahren und allen Hürden zum Trotz würde ich mich heute wieder selbstständig machen!

Nicht nur Eigentum verpflichtet – auch Mitgliedschaft! Ein Dankeschön an Isabell Battenfeld für diese offenen Worte, die vielleicht auch anderen Kammermitgliedern Anregung für eigenes Engagement in Ihrer Kammer sind? Haben Sie andere brennende Themen? Sprechen Sie mich gerne an!

Es grüßt Sie herzlich
Ihre

Dipl.-Ing. Katja Domschky
Vizepräsidentin der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
 

 

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