Vielfältige Impulse gaben auf dem Podium (v. l.): Nicolas Grosch (Kunstkommission Düsseldorf), Peter Köddermann (Baukultur NRW, Moderation), Markus Lehrmann (AKNW), Thomas Lange (Künstler) und Prof. Christoph Grafe (BU Wuppertal) – Foto: Ingo Lammert / Architektenkammer NRW

Kunst als Element der Stadtentwicklung?

„Die Gestaltung unserer Städte und die Neuausrichtung räumlicher Qualitäten in unseren Städten verlangen aus baukultureller Sicht geradezu die Einbeziehung künstlerischer Positionen.“ Mit dieser Aussage führte Peter Köddermann, Programmgeschäftsführer der Initiative Baukultur NRW, am Abend des 13. Septembers in die Podiumsdiskussion „Kunst und Bau und Stadtentwicklung“ in der Architektenkammer NRW ein. Aus der Perspektive von Architektur und Stadtplanung, von Kunst und Kunstförderung wurde erörtert, welche Rolle „Kunst und Bau“-Projekte für die Entwicklung unserer Städte spielen könnten

14. September 2023von Christof Rose

„Kunst ist grundlegend für uns Menschen, sie prägt uns – deshalb muss Kunst im öffentlichen Raum eine große Rolle spielen!“ Mit diesem Appell des Düsseldorfer Künstlers Prof. Horst Gläsker aus dem Publikum war die Tonalität des Diskussionsabends vorgegeben. Christoph van Gemmeren aus dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes NRW bekräftigte, dass Kunst eine Funktion in der Stadtplanung und Stadtgestaltung zukommen kann und sollte.

Auf dem Podium stellte Nicolas J. Grosch die Arbeit der Kunstkommission Düsseldorf vor – „eine Initiative der Künstlerinnen und Künstler in Düsseldorf“, wie der Leiter der Kommission betonte. „Wir arbeiten seit fünf Jahren daran, wieder verstärkt Kunst in den öffentlichen Raum zu bringen“, berichtete Grosch. Aufgabe der Kunstkommission sei auch, zu einer „neuen Planungskultur“ in der Landeshauptstadt beizutragen.“ Dazu gehöre der Austausch aller beteiligten Disziplinen. Zwar sei dies schon bei Bauwerken nicht immer einfach; in der Stadtentwicklung werde es - mit zunehmender Zahl der Beteiligten – noch fordernder. Gleichwohl könne durch Einbindung von Künstler*innen in Maßnahmen der Stadtentwicklung ein Mehrwert schon durch die Prozessqualität entstehen.

Prof. Dr. Christoph Grafe lehrt an der Bergischen Universität Wuppertal Geschichte und Theorie der Architektur. „Es gibt eine lange Tradition, Künstler in die Planung von Städten und Gebäuden zu integrieren“, erinnerte der Architekturhistoriker. Kunst habe im Stadtraum mit Deutungshoheit und Macht zu tun. Eine Stadt wie Wuppertal, die eine bürgerliche Stadt des 19. Jahrhunderts war, habe dies ganz anders umgesetzt als etwa eine feudal entstandene Stadt wie Düsseldorf. Generell schätzte Prof. Grafe Kunstprojekte für den öffentlichen Raum als potenziell wirkmächtig ein. Ein Kunstprojekt wie „Chambres d‘amis“, das Jan Hoet 1986 in Gent realisierte, habe das Verständnis von Stadt und Kunst nachhaltig verändert.

Aus Sicht der Stadtplanung verwies Markus Lehrmann, Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer NRW, darauf, dass die Kunst im oder für den öffentlichen Raum nicht zu stark reglementiert werden dürfe. „Kunst braucht Freiräume, sonst kann sie ihr Potenzial für die Stadt nicht entfalten.“ Heute gehe es im Schwerpunkt darum, unsere Städte und ihre Quartiere zu überarbeiten und weiterzuentwickeln. „Es wäre gut, wenn die Stadtplanung Kunst mitdenkt.“

Die Diskussion in der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, zu der Baukultur NRW eingeladen hatte, machte schnell die thematische Bandbreite und die unterschiedlichen Ansätze deutlich, die auch innerhalb der kreativen Community herrschen.

Der Künstler Thomas Lange, der aktuell mit seinem Partner Mutsuo Hirano im Baukunstarchiv NRW in Dortmund mit der Ausstellung „Testapolis“ zu erleben ist und schon viele Kunstprojekte in Stadträumen realisieren konnte, monierte in der Diskussionsrunde, dass Künstler in Kunst-und-Bau-Prozesses allzu häufig als Anhängsel oder Auftragsempfänger wahrgenommen würden. „Kunst steht erst einmal für sich.“ Lange sprach sich vehement gegen eine Bürgerbeteiligung für Kunst und Bau aus. „Wie sollen Menschen, die noch nie im Museum waren oder sich mit Kunst auseinandergesetzt haben, qualifiziert über künstlerische Konzepte entscheiden können?“

Beiträge aus dem Publikum verwiesen darauf, dass ein Künstler bzw. eine Künstlerin immer die Freiheit habe, unabhängig von festen Planungsprozessen mit künstlerischen Interventionen zum Stadtraum und zur Stadtentwicklung beizutragen. Es gelte, diese Freiräume zu entdecken, nicht sie zuzuweisen. In der weiteren Debatte wurden Fragestellungen wie die nach dem Umgang mit Mäzenatentum sowie zu Vergabeprozessen und Transparenz gestreift. Viel Zustimmung gab es zu der Forderung einer jungen Diskussionsteilnehmerin, es müsse heute auch in der öffentlichen Kunst darum gehen, Parks und Plätze zu entwickeln, die den Anforderungen des Klimawandels gerecht werden. „Wir brauchen Verschattungen und Wasserflächen, aber auch Räume, die Menschen zur Begegnung und zur Interaktion einladen!“

Vielfach wurde betont, dass künstlerische Projekte für den öffentlichen Raum oder die Stadtentwicklung in der Regel kooperativ und interdisziplinär gedacht werden müsste. Der Architekturhistoriker Prof. Christoph Grafe zeigte auf, dass in der Tradition Anstöße zum Umbau und zur Weiternutzung von Gebäuden häufig von Künstlerinnen und Künstlern ausgegangen seien. „Das war in der Geschichte oft ein ganz organischer Prozess der Zusammenarbeit.“

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