Landschaftsarchitektur: Ein schöner Garten ist die Sache von Profis
Den Traum vom eigenen Garten leben hierzulande Millionen Menschen. Landschaftsarchitektinnen und -architekten planen private Gärten als Stadtoasen und Refugien. Ein Blickpunkt aus der Publikation "TERRAIN. Landschaftsarchitektur in NRW" der Architektenkammer NRW.
Sowohl in den Parzellen städtischer Kleingartenanlagen, auf Hochbeeten in Hinterhöfen oder im rückwärtigen Reihenhaus-Grün werden Stauden gehegt, Rosen veredelt und Erdbeerbeete gejätet, manchmal aber auch einfach nur Liegestühle neben dem Grill aufgestellt. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat das Privileg eines eigenen Zugangs zu Grün und frischer Luft im Wert steigen lassen.
Gerade das neue Bewusstsein für den Garten als Rückzugs- und Erholungsort und Freiraum im wörtlichen und übertragenen Sinne rückt auch die Fragen nach einer guten, professionellen Gestaltung wieder in den Vordergrund. Zunehmend mehr Bauherrschaften greifen bei der Anlage, Umwandlung oder Modernisierung ihres privaten Gartens auf den fachkundigen Beistand von Planungsbüros zurück und betrachten den Garten als selbstverständlichen Teil ihrer angemessen und gut gestalteten Lebenswelt. Je mehr das eigene Grün als Raum der eigenen Entfaltung verstanden wird, umso bedeutsamer wird der ästhetische Umgang damit.
Einen den jeweiligen Wünschen entsprechenden, professionellen Gegenentwurf zu den zu Recht verrufenen Schottergärten oder dem mit Herbiziden in Schach gehaltenen Abstandsgrün hinter der Thujahecke können indes nur professionelle Landschafts- und Gartenarchitekten liefern. Sie betrachten jeden Garten als Unikat und lassen den konkreten Ort, das Licht, die Pflanzen und gebaute Strukturen in einem Konzept aufgehen, das Architektur und Natur nachhaltig auf das Schönste verbindet. – Ein Interview mit Dipl.-Ing. Manuel Sauer, Landschaftsarchitekt aus Bonn.
Interview: "Mehr, als nur eine Fläche zu bepflanzen"
Die Planungsaufgabe Privatgarten ist innerhalb der Landschaftsarchitektur nach wie vor ein Nischenthema. Warum eigentlich?
Manuel Sauer: Das habe ich mich schon im Studium gefragt. Der Umgang innerhalb der Disziplin ist durchaus zwiespältig. Wenn es um schöne Bilder geht, ist das Thema Gärten stets willkommen, und auch historische Gartenkunst hat ihren Platz. Man denke nur an die Gartendenkmalpflege, die sich um den Erhalt von Anlagen wie Schlossgärten oder die Fürst-Pückler-Parks kümmert und zu Recht auf den großen Wert von anspruchsvoller Gartenkultur hinweist.
Doch es gibt keine Gartenarchitektur-Diskussion, wie man sie etwa aus dem Hochbau oder der Landschaftsplanung kennt. Es fehlt an einer Auseinandersetzung über gestalterische oder konzeptionelle Entwicklungen, über sich ändernde Ausgangsbedingungen für Gartenplanung, mithin an einem professionellen Interesse für den Privatgarten als Planungsaufgabe.
Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit als Gartenarchitekt aus?
Manuel Sauer: Die Ausblendung des Privatgartens aus der freiraumplanerischen Debatte hat letztlich dazu geführt, dass die Aufgabe im Laufe der 1970er-Jahre von den Garten- und Landschaftsbaufirmen entdeckt wurde. Diese Betriebe haben nicht nur ein lukratives Geschäftsfeld für sich erobert, sondern auch die Planung und Gestaltung übernommen und damit eine Leerstelle besetzt, die wir als Landschaftsarchitekten gewissermaßen freiwillig überlassen haben.
Der Privatgarten oszilliert der hierzulande herrschenden allgemeinen Auffassung nach zwischen Schrebergarten mit Versorgungsfunktion, Abstandsgrün und kleinbürgerlichem Hobby. In Großbritannien hingegen ist der Garten ein repräsentativer Freiraum; die Gartenkunst ist eine anerkannte moderne Planungsdisziplin.
Woher rührt dieser Unterschied in der Betrachtung, und was sind Ihrer Ansicht nach die Gründe dafür?
Manuel Sauer: Im angelsächsischen Raum ist der Garten ein Upper-Class- Thema, dort schmückt man sich mit einem professionell gestalteten Garten. In Deutschland wird der Garten stark unter dem Aspekt des Nutzwerts betrachtet, was vielleicht an der Schrebergarten-Tradition liegt und auch mit der Not nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat, als Gärten für die Selbstversorgung unverzichtbar waren. Doch die kulturellen Unterschiede im Umgang mit dem Garten bestehen; das zeigt eigentlich schon der Blick über die Grenze nach Belgien oder Frankreich.
Es gibt in anderen Ländern mehr Freude am Experiment, an kreativer Gestaltung, am Ausprobieren. Kein Wunder, dass die Trends dann eher aus dem Ausland kommen. Und eine gewisse Rolle spielt sicher auch die deutsche Landschaftsarchitektur als eine stark ökologisch geprägte und umweltbewusste Disziplin, in der die Planungsaufgabe Privatgarten weniger zweckgebundenen Luxus-Bereichen zugewiesen wird.
Sicher ist so ein von professioneller Hand entworfener und gestalteter Privatgarten ein Luxus. Man könnte auch den Vergleich zu Einfamilienhäusern ziehen: Dieses Geschäft wird hierzulande mehrheitlich von Bauträgern geleistet; die individuelle Planung für einen Bauherrn ist eher die Ausnahme. Warum wird dieser Umstand als Verlust an Baukultur beklagt, während der Privatgarten in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt?
Manuel Sauer: Wahrscheinlich spielt auch hier die Wertschätzung individueller Kreativität und Detailliebe eine Rolle. Denn dies benötigt einen Entwicklungsspielraum, den das effizientere Bauträgermodell kaum zulässt. Die Landschaftsarchitektur hierzulande nimmt eher die großen ökologischen und sozialen Fragen in den Blick; die schöne Gestaltung eines Gartens spielt in der Diskussion leider nur eine kleine Rolle oder beschränkt sich oft auf den neuesten Trend in der Pflanzenverwendung.
Doch das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Auch für ökologische Zwecke sind gestalterische Formen und ein ästhetischer Ausdruck nötig, und ein ansprechend angelegter Garten ist ja nicht per se unökologisch, nur weil er mit viel Bedacht auf ästhetische Wirkung geplant wurde.
Vieles, was heute im freihändigen, unprofessionellen Umgang mit Privatgärten kritisiert wird - Schotterflächen, einfallslose Rasenflächen mit Kugelgrill, Trampolin und Wasserbassin - könnte durch eine stärkere Professionalisierung dieser Aufgabe besser werden. Was würde Ihrer Meinung nach helfen, den Privatgarten als Planungsaufgabe für professionelle Garten- und Landschaftsarchitekten zu stärken?
Manuel Sauer: Wahrscheinlich wäre schon viel gewonnen, wenn man den privaten Garten innerhalb der Landschaftsarchitektur wieder ernster nähme und dieses Betätigungsfeld als integralen Bestandteil unseres Aufgabenspektrums auch in der Kommunikation nach außen besser vermittelt. Denn das Bedürfnis bei den Bauherren ist ja vorhanden. Was mitunter fehlt, ist das Bewusstsein für den Wert eines schönen, individuell gestalteten Gartens.
Gartenkunst ist ja mehr, als nur eine Fläche zu bepflanzen und dafür zu sorgen, dass es gut aussieht. Wir entwickeln im Entwurf einen Zusammenhang zwischen dem Bauherrn, den vorhandenen baulichen Strukturen und der Natur, kümmern uns um die technischen Voraussetzungen und optimieren mit unserer Planung zugleich das künftige Wachsen und Gedeihen von Pflanzen.
Als Treuhänder des Bauherren obliegt uns eine große Verantwortung bei der fachgerechten Ausführungsplanung der gesamten Außenanlage, der Kostensicherheit und der Koordination verschiedenster Gewerke. Im Grunde geht es doch darum, dass wir als Profis den potenziellen Bauherren vermitteln, welche Kompetenzen bei der Gestaltung eines schönen Gartens nötig sind und warum es sich lohnt, einen Gartenarchitekten als vertrauensvollen Projektpartner zu beauftragen.
INFO
Dipl.-Ing. Manuel Sauer ist Landschaftsarchitekt BDLA / IFLA und nahm nach einer Ausbildung zum Landschaftsgärtner das Studium der Landschaftsarchitektur an der FH Osnabrück und der University of Arizona in Tucson, USA, auf. 1997 gründete er in Bonn-Bad Godesberg sein Büro „Terramanus“. Er ist Autor verschiedener Publikationen über Privatgärten. Seine Projekte wurden mehrfach ausgezeichnet.
Weitere Informationen

Mehr zum Thema Landschaftsarchitektur finden Sie in unserer Publikation TERRAIN. Landschaftsarchitektur in NRW
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