Neue Schulprojekte der AKNW intensivieren die Architekturvermittlung an Schulen

Neue Schulprojekte der AKNW: Sensibel für den Raum und die Natur

Wer die Architektur und Baukultur verbessern will, braucht einen langen Atem. Er muss mit der Sensibilisierung für das Thema bei den Jüngsten anfangen. Das hat sich jedenfalls die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen mit ihrem Aktionsprogramm „Architektur macht Schule!“ vorgenommen, mit dem Architekturthemen in die Schulen hineingetragen werden, um Kindern und Jugendlichen ein „Gespür für die Qualität ihrer gebauten Umwelt“ zu vermitteln. Immerhin sind Kinder die Bauherren und Planer von morgen. Ziel der Kampagne ist es, den Themen Architektur, Wohnen und Stadtplanung größeren Raum im Schulunterricht einzuräumen und als festen Bestandteil des Curriculums, vielleicht sogar als eigenes Unterrichtsfach zu etablieren.

20. Mai 2010von Dr. Frank Maier-Solgk

Um die Thematik mit praktischen Erfahrungen zu flankieren, gibt es in Nordrhein-Westfalen schon seit 18 Jahren die Schulprojektreihe „KidS - Kammer in der Schule“, bei der Schüler unter Anleitung von Architektinnen und Architekten bauliche Veränderungen an ihren Schulen entwickeln und umsetzen. Vom Farbkonzept wie an der Realschule Süd in Duisburg bis zur Gestaltung eines Schulcafés im Städtischen Gymnasium Meerbusch und vielen verschönerten Pausenhöfen reicht die Palette der bis heute 14 von Schülerhand verbesserten Schulgebäuden in NRW. Die besten „Kids-Projekte“ präsentiert seit 2007 eine auf Wunsch den Schulen zur Verfügung gestellte Wanderausstellung.

Ferner hat die Architektenkammer NRW gemeinsam mit der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen mehrere Bücher für den Schulunterricht aller Alterstufen entwickelt: „Wie gewohnt?“ erläutert  die Zusammenhänge zwischen Wohnung, Quartier und Stadt, das Buch „Gebaute Geschichte“ (Autor jeweils Gert Kähler) führt in das Thema Denkmalschutz ein, die Materialsammlung „Alles nur Fassade?“ der Architektenkammer NRW steht als PDF-Datei im Netz.

Jetzt wurde zusätzliches Unterrichtsmaterial auch für die Jüngsten an den Grundschulen vorgestellt: Achtung, fertig, Baustelle (Autoren: Rolf Toyka, Fernec B. Regös, Heike Ossenkop) heißt ein neues Buch, das inzwischen für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Ein ergänzender Film mit dem Titel „Von Märchenschlössern und Traumhäusern“ erläutert Bauabläufe, Gebäudetypen und Einrichtungselemente und fordert die Kinder zu einer spielerischen Analyse ihrer gebauten Umwelt auf, indem u. a. die Panoramen berühmter Bauten vorgestellt werden. „Getestet“ haben das Material in den letzten Wochen die Schüler und Schülerinnen der Düsseldorfer Max Schule, die zuvor Erfahrungen beim Ausbau des Dachgeschosses ihrer Schule zu neuen Ganztagsschulräume hatten sammeln können.Lässt man Kinder ihre Lieblingsgebäude entwerfen oder portraitieren, so kann die anfängliche Begeisterung für Spektakuläres, gar Schrilles oder Hohes nicht überraschen. Die Auseinandersetzung mit Architektur beginnt nun einmal generell mit dem Sichtbaren und der optischen Sensation, wobei Fassaden – ihr Schmuck, ihre Repräsentativität, möglicherweise auch ihre Eintönigkeit - die größte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Kindern wie vermutlich aber den meisten architektonischen Laien auch sind jedenfalls Sichtbeton und eine puristische Architekturmoderne eher fremd. Um ein weitergehendes Verständnis von Architektur zu vermitteln, muss man sozusagen hinter die Fassaden blicken und zum Beispiel auch Funktionen erläutern. Rolf Toyka betont, dass auch die Bücher für die Jüngsten vor allem vermitteln wollen, dass Gebäude nicht nur aus Fassaden bestehen, sondern eine an vielen Gegebenheiten orientierte räumliche Funktionalität besitzen. Wo sind große Fenster sinnvoll, für welche Räume eher nicht, welche Bedeutung spielt die Himmelsrichtung, welche Faktoren tragen zum Wohlfühlen bei? Man wolle zwar keine kleinen Architekten heranziehen, betont auch Architektenkammerpräsident Hartmut Miksch, aber neben der Bedeutung von Baukultur, die man vermitteln will, geht es eben schon darum, Ansatzpunkte für eine etwas nachhaltigere Beschäftigung mit dem Thema zu finden.  

In Deutschland leisten auf diesem Feld die Kammern einen Großteil dieser Arbeit. Derzeit scheinen sich Aktivitäten zu verstärken. Eine zu Beginn des Jahres gestartete bundesweite Netzwerk-Kampagne der Bundesstiftung Baukultur („bauTraum“, www.baut-raum.de) bündelt eine größere Zahl an lokalen und regionalen Projekten. Die Initiativen belegen zugleich, wie wenig die Architekturvermittlung in Deutschland bisher institutionell verankert ist. In Frankreich beispielsweise wird Architektur staatlicherseits seit den 1970er Jahren in breiter Form vor allem durch die rund 100 lokalen Conseils d’architecture, d’urbanisme et l’environnement vermittelt (CAUE, www.fncaue.fr), die eine kostenlose Beratung von Gemeinden und Privaten anbieten und auch im Bereich der Pädagogik Angebote entwickeln. Sie sind bei der Vermittlung in Schulen aktiv, entwickeln Bücher und Lehrpläne und organisieren viele Projekte, zum Beispiel in Form von Architekturexkursionen.  

Auch Finnland, wo mehr als die Hälfte aller Schulkinder Architekturunterricht erhält, gilt als ein Vorbild. Hier hat die Regierung als Zielvorgabe formuliert, dass das Architekturverständnis zur Allgemeinbildung des mündigen Bürgers gehöre. Mehrere Zentren der Architekturerziehung widmen sich außerhalb der professionellen Ausbildungsstätten dem Thema, in Helsinki gibt es auf Architekturerziehung spezialisierte Kindergärten, eine Jugendarchitekturschule und spezielle Programme für Kinder und Jugendliche an Kinderkulturzentren. Nicht zuletzt Österreich ist auf dem Feld der Vermittlung aktiv: Die Architekturstiftung Österreich als gemeinsame Plattform der regionalen Architekturhäuser in den Bundesländern entwickelt auch für Kinder Vermittlungsprogramme, etwa ein Modul zum Thema „RAUM spüren – (be)greifen – bauen“: In einem installierten Raumlabor oder in geeigneten Schulräumen ermöglichen mobile Elemente eine sinnliche Vermittlung von Raumwahrnehmung und –gestaltung. Generell scheinen allerdings ausformulierte Schwerpunkte dieses „Querschnittsfaches“, das Mathematik und Kunst zusammenführt,  noch zu fehlen. Noch wichtiger sind vielleicht aber ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Der Publizist und Fachbuchautor Gerd Kähler betont, dass in Deutschland das Thema Architektur zwar in den Lehrplänen stehe, in der schulischen Realität dagegen aber eine zu geringe Rolle spiele. Der Grund dafür liegt darin, dass Lehrer - auch die Kunsterzieher, in deren Fach Architektur vermittelt wird - zu wenig von Architektur verstehen und das Wahlfach daher vernachlässigen. Für Kähler jedenfalls ist es notwendig, das Thema Architektur nicht auf Ästhetisches zu beschränken. Um zu einem Verständnis von Qualität zu gelangen, muss man die gebaute Umwelt als Ganzes begreifen, als etwas, das von den Bürgern mitgestaltet wird. Welchen Erfolg Architekturerziehung an Schulen haben wird, kann erst die Zukunft zeigen.

Eines aber dürfte bei Kindern - auch ohne systematischen Architekturunterricht  - gewiss sein: Landschaftszerstörende Großprojekte wie die Elbbrücke von Dresden oder die geplante Brücke über die Mosel kommen bei Kindern gar nicht gut an. Zwei Dinge, so die Schulleiterin der Max-Schule, Daniela Körber, schätzen Kinder an ihrer Umwelt am meisten: viel Raum für sich selbst und die Natur. Damit lägen sie ja architektonisch durchaus im Trend.  

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