Novelle des Baukammerngesetzes: Zeitgemäße Regelungen für eine starke Verwaltung
50 Jahre Architektenkammer Nordrhein-Westfalen: Das sind 50 Jahre berufsständische Selbstverwaltung und Vertretung der Architektinnen und Architekten, Innenarchitektinnen und Innenarchitekten, Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten sowie Stadtplanerinnen und Stadtplaner. Mit Sachverstand und Expertenwissen steht die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen der Landesregierung bei allen architektur- und städtebaubezogenen Fragestellungen zur Seite. Dafür sage ich Ihnen im Namen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen meinen herzlichen Dank. Und im Jubiläumsjahr legt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ein neues Baukammerngesetz vor: In den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für das Berufsrecht in wesentlichen Bereichen geändert. Mit dem Gesetzentwurf wird diesen geänderten Rahmenbedingungen Rechnung getragen und den Anforderungen an ein modernes und zukunftsorientiertes Berufsrecht für die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen entsprochen.
Das neue Gesetz über die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen – im Folgenden kurz: Baukammerngesetz – bietet dabei einige Neuerungen, die dazu beitragen sollen, die Berufsstände und die Selbstverwaltung weiter zu stärken. Der Gesetzentwurf liegt dem Landtag Nordrhein-Westfalen zur Beratung und Beschlussfassung vor.
Um ein modernes Baukammernrecht zu schaffen, hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen den bisherigen Gesetzesumfang gestrafft, an bundesweit einheitliche Regelungen angepasst sowie Vorgaben im Recht der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt:
Die Neufassung des Baukammernrechts wird dazu genutzt, um bisher getrennte Gesetzesbereiche zu einem Allgemeinen Teil, vorbehaltlich der spezifischen Unterschiede der beiden Berufsbereiche, systematisch und inhaltlich zusammenzuführen und diesen im Gesetz voranzustellen. Des Weiteren werden im Gesetzentwurf die gesetzlichen Vorgaben über die Berufsgerichtsbarkeit deutlich, aber ohne inhaltliche Abstriche, reduziert.
Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet zudem Inhalte des Musterarchitektengesetzes, welches zuletzt durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 30. Oktober 2015 geändert wurde: Wie bereits bei der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen soll auch das nordrhein-westfälische Baukammernrecht in erster Linie im Interesse der Betroffenen an bundesweit einheitliche und europarechtlich vorgesehene Regelungen – unter Wahrung von nordrhein-westfälischen Sonderregelungen – angepasst werden.
Neu: „Junior-Architekt“
Eine wichtige Neuerung wird der „Junior-Architekt“ bzw. die „Junior-Architektin“:
Die Kernkompetenz der Architektinnen und Architekten ist das über das reine Bauen hinausgehende Schaffen von Architektur. Dazu bedarf es einer fundierten und grundlegenden Ausbildung. Daher folgt auf das erfolgreich abgeschlossene Fachstudium eine zweijährige Praxisphase. Neu ist, dass in dieser Zeit die Berufsbezeichnung „Junior-Architekt“ geführt werden darf. Die neue Bezeichnung unterstreicht die Wertigkeit der Ausbildung der jungen Planerinnen und Planer. Mit dem Schutz der Berufsbezeichnungen übernimmt die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen Verantwortung für ihre Mitgliedschaft und für die Allgemeinheit:
Die Bezeichnung „Junior-Architektin“ oder „Junior-Architekt“, „Junior-Innenarchitektin“ oder „Junior-Innenarchitekt“, „Junior-Landschaftsarchitektin“ oder „Junior-Landschaftsarchitekt“ sowie „Junior-Stadtplanerin“ oder „Junior-Stadtplaner“ (entsprechend den einzelnen Fachrichtungen) werden gesetzlich festgeschrieben.
Damit soll den Hochschulabsolventinnen und -absolventen eine Berufsbezeichnung, die sich an entsprechenden Regelungen anderer Berufsstände orientiert, gegeben werden, die diese stärker an die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen bindet. Aus diesem Grunde sieht die gesetzliche Regelung auch vor, dass die Hochschulabsolventin oder der Hochschulabsolvent im Rahmen ihrer oder seiner praktischen Tätigkeit in Nordrhein-Westfalen in die jeweilige Architektenliste oder in die Stadtplanerliste eingetragen wird.
Aufgabenkatalog erweitert
Der Aufgabenkatalog der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen wird um die Baukunst und das barrierefreie Bauen erweitert. Der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ist eine Reihe von Aufgaben verpflichtend zugewiesen, die zwingend zu erfüllen sind. Gegenüber den bereits heute vorhandenen Aufgaben zur Förderung der Baukultur und des Bauwesens, des Städtebaus und der Landschaftspflege unter Beachtung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen wird der Aufgabenkatalog um die Baukunst und das barrierefreie Bauen erweitert.
Baukunst fördern
Bereits mit der „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union 2007 angesichts wachsender Herausforderungen dazu verpflichtet, die nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung zu stärken und Verantwortung für besonders benachteiligte Stadtviertel zu übernehmen. In der Zukunft wird es mehr denn je darauf angekommen, die Charaktere unserer Dörfer, Gemeinden und Städte unter Wahrung ihrer historisch-gewachsenen Einzigartigkeiten herauszuarbeiten und zugleich in Verbindung mit der Baukultur und der Baukunst neue architektonische Qualitäten in der Stadtentwicklung und dem Städtebau zu setzen. Daher wird die Förderung der Baukunst mit in den Aufgabenkatalog der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen aufgenommen.
Insbesondere wird das Erfordernis, neue architektonische Qualitäten in der Stadtentwicklung und im Städtebau zu setzen, an der Transformation unserer Innenstädte und Ortszentren deutlich werden: Ich freue mich sehr darüber, dass die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen eine Partnerin der Landesregierung Nordrhein-Westfalen in der am 26. März 2021 beschlossenen „Gemeinsamen Innenstadtoffensive“ ist.
Etliche Selbständige werden ihre Geschäfte im Einzelhandel wie in der Gastronomie im Zuge der wirtschaftlichen Auswirkungen corona-bedingter Schließungen nicht mehr öffnen. Europäische Städte sind mehr als dicht bebaute Siedlungen: Sie sind zudem keine zufälligen Strukturen, sondern Ergebnis eines vielstimmigen Konzertes aus Ökonomie und Gestaltungwillen. Sie ermöglichen ein kulturelles, soziales, ökologisches und wirtschaftliches Zusammenspiel. Die meisten Städte sind geprägt von einzigartigen, historisch gewachsenen Innenstädten von außergewöhnlicher kultureller Bedeutung. Sie prägen das städtische Kulturerbe Nordrhein-Westfalens und die Identität unserer Einwohnerinnen und Einwohner. Kultur steht im Zentrum jeder nachhaltigen Stadtentwicklung. Dazu zählen auch der Erhalt und die Entwicklung des baukulturellen und kulturellen Erbes. Städte sind Orte der Vielfalt, Kreativität und Solidarität. Kulturelle und politische Traditionen bilden die Grundlage für die Entwicklung der Stadt als Ausgangspunkt demokratischer Rechte und Werte.
Es gilt daher, hochwertige Stadtplanung, Städtebau und Erreichbarkeit zu stärken, die zum Wohlergehen aller beitragen. So können kompakte, sozial und wirtschaftlich gemischte Städte mit gut ausgebauten Infrastrukturen und einem gesunden Stadtklima entstehen, die allen Menschen die Möglichkeit zur Identifikation bieten. Dazu gehört auch die Förderung des barrierefreien Bauens.
Ehrenamtlichkeit wird gestärkt
Ehrenamtlichkeit ist ein hohes Gut in unserer Gesellschaft und in der Selbstverwaltung: Vorstände sowie die Vertreterversammlungen als Organe der jeweiligen Baukammer sind Organe der sich selbstverwaltenden Körperschaften. Die Ausgestaltung der Rechtsstellung, die Aufgaben der Vorstände und der Vertreterversammlungen und ihrer Mitglieder ist Angelegenheit des staatlichen Landesgesetzgebers. Die Ausübung des Mandates in dem jeweiligen Organ ist Ausdruck der Mitgestaltung des jeweiligen Baukammerwesens. Dies schließt Tätigkeiten in den jeweilig gebildeten Ausschüssen ein.
Insofern wird das jeweilige Mitglied ohne Entgelt für ihre oder seine Baukammer in organschaftlicher Stellung oder in der Tätigkeit als Mitglied eines entsprechenden Ausschusses tätig. Um die Übernahme von organschaftlichen Funktionen bzw. die Tätigkeit in Ausschüssen zu fördern, sieht der Gesetzentwurf vor, dass die jeweiligen Mitglieder für die Zeit der Ausübung ihres Mandates von ihrer Verpflichtung zur Arbeit freizustellen sind.
Die Corona-Pandemie hat uns aufgezeigt: In außergewöhnlichen Zeiten kann es das Erfordernis zum Schutz der menschlichen Gesundheit zeitigen, dass Menschen sich so wenig wie möglich begegnen. Und dennoch: Gesetzliche Aufgaben können nicht warten. Die mit einer Präsenzversammlung verbundene Anwesenheit einer Vielzahl von Personen – die vorgeschriebene Anzahl der Mitglieder der Vertreterversammlung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen beträgt 201 – kann Gefahren mit sich bringen.
Angesichts der Erfahrungen wird daher die rechtliche Grundlage geschaffen, dass die Baukammern ihre Vertreterversammlungen als Online-Format mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel durchführen können; die neu geschaffene Möglichkeit, Entscheidungen im Wege von Online-Formaten treffen zu können, kann auch auf andere zu treffende Entscheidungen durch die im Gesetz genannten Stellen übertragen werden.
Abschließend: Mit dem Gesetzentwurf über die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ein modernes und zukunftsorientiertes berufsrechtliches Regelwerk vorgelegt. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen wird in ihrer Aufgabe gestärkt, die berufliche Pflichterfüllung der Mitglieder und die Interessen ihrer Mitgliedschaft zu wahren. Denn: Bei der Architektur geht es um mehr als das Bauen von Gebäuden. Baukultur umfasst die Stadtentwicklung, umfasst Architektur- und Ingenieurskunst und die Fähigkeit, die anstehenden Herausforderungen für eine in die Zukunft gerichtete natürliche Stadt- und Gemeindeentwicklung für die heutigen und nächsten Generationen anzugehen.
Baukulturell geprägte Städte, Gemeinden und Regionen sind Anziehungspunkte für Menschen und für Unternehmen, sind Orte der Identität und der Identifikation – kurzum: sind Heimat für unsere nordrhein-westfälische Bevölkerung. Mit dem neuen Baukammerngesetz für Nordrhein-Westfalen wird dazu ein weiterer Grundstein gelegt werden.
Teilen via