Oswald Mathias Ungers (1926-2007)

Oswald Mathias Ungers (1926-2007): Haus ohne Eigenschaften

Klarheit, Geometrie, Eindeutigkeit: Das war die Antwort des Architekten Oswald Mathias Ungers auf die Orientierungslosigkeit und Gedankenlosigkeit im Baugeschehen der 1950er Jahre, als er sich nach Kriegsgefan-genschaft und Studium u. a. bei Egon Eiermann 1951 in Köln als selbstständiger Architekt niederließ. Sein erstes Wohnhaus (1958-59) in sorgfältig abgestuften Kuben zehrt noch deutlich von der klassischen Moderne in seiner äußeren Komposition aus Ziegelflächen und horizontalen Betonbändern. Bis zu Haus III (1996-99) legte Ungers, der Ende September verstarb, einen ebenso weiten wie konsequenten Weg zurück.

15. Oktober 2007von Gudrun Escher

Jene „Casa senza qualità“, sein Haus ohne Eigenschaften, wie er selbst formulierte, verbirgt, was drinnen geschieht, und stellt sich auf hochkomplexe Weise als radikal reduzierte Hülle dar. Die Kunstsammlung, die Ungers neben einer umfangreichen Fachbibliothek als Inspirationsquelle wie Rückversicherung für die eigene künstlerische Position kontinuierlich aufbaute und für die er 1989 bis 90 einen erratischen Block als Anbau an das erste Wohnhaus entwarf, spannt den Bogen von Donald Judd bis Leo von Klenze, von der Abstraktion des 20. Jahrhunderts in ihrer Bezugsfülle „ohne Eigenschaften“ bis zu deren Wurzeln in Klassizismus und Romantik und weiter zurück über die Renaissance zur Antike. Eine Adaptation des Palladianismus, so könnte man Haus II in der Eifel bezeichnen, allseitig sich über Treppen in einen gestalteten Park ergießend; das andere prägende Motiv, die Kuppel im und über dem Quadrat, wird für den Neu- bzw. Ausbau des Kunstpalasts am Ehrenhof in Düsseldorf (2001) lustvoll durchdekliniert bis zu Grund- und Aufrissfiguren.

Das Haus in seiner einfachsten Bedeutung entwickelt sich zum Leitfaden des Bauens für O. M. Ungers spätestens seit dem Neubau für das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main (1979-84), wo er ein Satteldachhaus als offene Hülle in die oberste Ausstellungsebene platzierte, unten den Vortragsraum als Ort des Diskurses unter sich bergend, Rechteck hier, Quadrat bis zu den Sitzkissen auf den aufsteigenden Rängen dort, reine Geometrie, aus der sich der Raum entfalten kann.

Wenige Jahre später, 1987, beschäftigt er sich erstmalig mit den einzigen antiken Bauwerken, die nördlich der Alpen aufrecht stehen, der Porta Nigra und der Basilika in Trier. Seine Platzgestaltung (1987) legt die Südfassade als Hauptschauseite der Konstantinischen Basilika aus dem vierten. Jahrhundert frei und schafft mit zweigeschossigen Pavillonbauten die Vernetzung mit der modernen Stadt, ohne sich dem historischen Charme anzubiedern. Zehn Jahre später überhaust er die inzwischen entdeckten Thermen am Viehmarkt mit einem Glaskubus (1990-96), dessen Ausmaße die Monumentalität der römischen Bauten erahnen lässt. Der letzte Baustein der Einlassungen von Ungers zur Stadtbaugestalt in Trier bildet das Erschließungsbauwerk zu den Kaiserthermen, das in einem langen Querriegel den barocken Park vom Grabungsgelände mit den römischen Ruinen der Exedren trennt, sie dadurch schützt und zugleich hervorhebt. Ganz nebenbei erfüllt die Kolonnade diverse praktische Funktionen und bewährte sich mit WCs, Laden und Café 2007 beim Besucheransturm zu der Ausstellungstrilogie „Konstantin der Große“.

Zu gefallen, war nicht das erstrebte Ziel des Architekten Ungers. Ihm ging es stets um Grundsätzliches. 15 x 15 cm misst das Bilder-Buch, das er anlässlich der Ausstellung „Zeiträume – Architektur – Kontext“ in Köln vorlegte. Es setzt ein mit den Initialen UNGERS gemäß der Divina Proportione des Luca Pacioli, gezeichnet von Leonardo da Vinci 1509, und schließt auf dem rückseitigen Cover mit dem Profil des Autors als Geländeformation. Dazwischen liegen „10 Kapitel über Architektur“ von der „Geometrie regelmäßiger Körper“ bis zur „Komposition komplexer Figuren“. Zu den knappen Texten gesellen sich etwa 400 Zeichnungen, von Dürer, Filarete, Jamnitzer, Ungers. Kapitel VII „Von den Maßverhältnissen der Fassaden“ reiht den Neubau des Wallraf-Richartz-Museums in Köln ein zwischen den Parthenon und Le Corbusier. O. M. Ungers verstarb am 30. September 2007 im Alter von 81 Jahren.

Objekte von O. M. Ungers auf baukunst-nrw:
Mehrfamilienhaus in Wuppertal
Niederrhein-Kolleg in Oberhausen
Haus ohne Eigenschaften in Köln
Wallraf-Richartz-Museum in Köln
Museum Kunstpalast in Düsseldorf
Wohn- und Bürohaus in Köln

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