Fakten zur Entwicklung der Kommunen - Handlungsansätze der Bezirksregierung Düsseldorf

Perspektiven für die Stadt in Zeiten des Schrumpfens

Die Renaissance des Wohnens, Arbeitens und Lebens in der Stadt ist gegenwärtig ein viel diskutiertes Ziel der Stadtplanung in Nordrhein-Westfalen. Der Leiter des mit Abstand einwohnerstärksten Regierungsbezirks in NRW, der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow, stellt Fakten zur Entwicklung der Region und Handlungsansätze seiner Bezirksregierung vor.

13. Januar 2006von Jürgen Büssow

Die Zahl der Einwohner Nordrhein-Westfalens ist von 1980 bis 2003 von gut 17 Mio. auf über 18 Mio. angestiegen. Dies ist auf Wanderungsgewinne zurückzuführen, da in diesem Zeitraum fast 314.000 Menschen mehr gestorben als geboren und gleichzeitig über 1,3 Mio. Menschen nach NRW gezogen sind. Der Bevölkerungszuwachs ist räumlich ausdifferenziert. Gewinner der Wanderungsbewegungen sind die kreisangehörigen, Verlierer die kreisfreien Städte. Die Suburbanisierung drückt sich in NRW konkret so aus: Die kreisangehörigen Städte sind um fast 1,3 Mio. Menschen angewachsen, während die kreisfreien Städte über 260.000 Einwohner verloren haben.

Im Regierungsbezirk Düsseldorf sind im Zeitraum von 1987 - 2003 die kreisfreien Städte über 35.000 Einwohner geschrumpft, während die kreisangehörigen Städte um fast 210.000 Personen angewachsen sind. Allerdings gibt es in dem Hauptstrom der Suburbanisierung auch Gegenbewegungen „zurück in die Stadt“ zu beobachten. Nachdem „junge Alte“ die Phase ihres Berufs- und Familienlebens vor den Toren der Stadt verbracht haben, nehmen sie die Innenstadt wieder vermehrt als Wohnstandort wahr.

Ingesamt werden im Jahr 2020 ca. 100.000 weniger Menschen in unserem Land leben, wobei die kreisangehörigen Städte in der Summe um 380.000 Personen wachsen und die kreisfreien Städte um 480.000 Menschen schrumpfen werden.  

„Wohnen, wo was los ist!“

Es muss in Zukunft verstärkt darum gehen, auf der einen Seite die Stadt als Wohnstandort wieder attraktiver zu machen, und auf der anderen Seite darum, eine weitere Siedlungstätigkeit auf bisher baulich nicht genutzte Flächen zu reduzieren. Die Architektur muss urbane Antworten auf den Traum vom schönen Wohnen als Alternative zum freistehenden Einfamilienhaus bereithalten. Nicht umsonst stehen gründerzeitliche und nutzungsdurchmischte Wohnquartiere in der Gunst vieler Nutzer - auch so genannter Schwellenhaushalte, die sich schon halb aus der Stadt verabschiedet haben - hoch im Kurs. Den Architektinnen und Architekten in NRW kommt in diesem Zusammenhang eine große gesellschaftliche Verantwortung zu. 

Kooperation in der Region

Regionale Zusammenarbeit ist sowohl aus Gründen der Wirtschaftlichkeit als auch der Umweltvorsorge und des Umweltschutzes nicht zuletzt in der Siedlungsinfrastruktur und im Investitionsbereich des Verkehrsektors erforderlich, um den unterschiedlichen Wohnbedürfnissen gerecht zu werden. Erfreulich gestaltet sich die Kooperation in der Region aktuell bei dem Projekt „circle-line“, die das Bergische Land mit dem Rheinland verbinden soll. Dies führt zu einer Verbesserung der Schienenverbindung für das gesamte Gebiet zwischen der Stadt Mönchengladbach und der Stadt Wuppertal mit einem Einzugsbereich von 2,5 bis 3 Mio. Einwohnern. Im Zuge der Realisierung ist an eine Wertschöpfung entlang der Bahnstrecke zu denken, die insbesondere durch eine Flächenentwicklung im Bereich der Haltepunkte Wohnen und Arbeiten verbindet. Entsprechende Wohnbaulandreserven liegen vor.

Das Gebot der Stunde lautet, eine konsequente Förderung der gewachsenen Städte als attraktive, lebendige, nutzungsdurchmischte, verkehrsberuhigte, familiengerechte und grüne Wohnstandorte bei gleichzeitiger Reduzierung der Wohnbaulandausweisung auf der „grünen Wiese“. Dabei stellt der Gebietsentwicklungsplan die Grundlage für eine nachhaltige regionale Siedlungsentwicklung dar. Eine Förderung des „sowohl - als auch“ wird bei sinkender Bevölkerung bestenfalls zu einer Verlangsamung der Suburbanisierung führen und auf Dauer nicht finanzierbar sein.  

Arbeiten, wo was los ist!

Die Suburbanisierung betrifft nicht nur das Wohnen. Immer mehr Arbeitsplätze werden von den Ballungskernen an den Rand verlagert. Im Zeitraum von 1987 - 2003 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den kreisfreien Städten im Regierungsbezirk Düsseldorf um 94.433 zurückgegangen, während sie im selben Zeitraum in den kreisangehörigen Städten um 49.491 Personen angestiegen ist. Die Zahl der Beschäftigten, die in den kreisfreien Städten verloren gegangen ist, ist durch das Wachstum der Beschäftigung in den Kreisen nicht ausgeglichen worden.

Wirtschaftlicher Erfolg lebt auch davon, unterschiedliche Kompetenzen zusammenzubringen. Bei immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen wird gerade an die Kompetenz des Vernetzens ein erhöhtes Maß gestellt. Damit steigt der Bedarf an qualifiziertem Personal, technischer wie wissensorientierter Infrastruktur. In dieser Hinsicht weisen Städte spezielle Standortvorteile gegenüber weniger verdichteten Räumen auf. Trotz der Möglichkeit neuer Technologien zeigt sich bei innovativen Projekten, dass das vor Ort gebündelte, nicht beliebig transferierbare Wissen über face-to-face-Kontakte besser vermittelt werden kann. Innovation lässt sich nicht immer planen, sondern ereignet sich in der Kontingenz des Urbanen. Das Urbane ist die Denkfabrik der Wissensgesellschaft. 

Verwalten, begegnen, orientieren!

Seit einiger Zeit besteht der Trend, dass öffentliche Einrichtungen von zentralen, innerstädtischen Standorten in Randbereiche verlagert werden. Grund dafür ist, dass neue bauliche und sicherheitsbezogene Anforderungen mehr Platz benötigen, und dass geringe Grundstückskosten sowie eine bessere Erreichbarkeit mit dem Auto locken. Frei werdende innerstädtische Grundstücke werden an private Investoren veräußert, neu entstehende Einrichtungen sind zwar lukrativ für Investoren, ziehen jedoch nur bestimmte Besucher an (z.B. Hotels). Die Folge ist, dass durch die Verlagerung öffentlicher Einrichtungen aus den Innenstädten ein Rückgang der Passanten einhergeht. Im Regierungsbezirk Düsseldorf ist als Beispiel der Umzug des Stadthauses an der Mühlenstraße in Düsseldorf zu nennen (geplant: Hotel) und die Absicht, das Amtsgericht Mettmann auf die so genannte „Grüne Wiese“ zu verlagern.

Dabei bilden gerade Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und Einrichtungen für Senioren Anziehungspunkte für einen Querschnitt der Gesellschaft. Finden sich in der urbanen, durchmischten City Kultureinrichtungen, Handel und Arbeitsplätze, so sind Orte sozialen Miteinanders wichtige Ausgangspunkte und Auslöser für das gesamte innerstädtische Tätigkeitsfeld.  

Einzelhandel und Shopping

Der Einzelhandel stellt ein wesentliches Merkmal vitaler Innenstädte dar. Der bunte Mix aus Fachgeschäften und Kaufhäusern ist Anziehungsfaktor und Imageträger für Besucher unserer Städte. Problematisch dabei ist jedoch die ruinöse Aufrüstung von Verkaufsflächen und die Ausweisung falscher Standorte auf der „Grünen Wiese“. Dies führte in den vergangenen Jahren zu einer Verödung der Innenstädte. Zudem wird ein Rückgang der Bevölkerungszahl gekoppelt mit einer zurückgehenden Kaufkraft erwartet. Leerstände und Trading-Down-Effekte bestimmen die Situation der Innenstädte. Die Käufer bleiben weg, die Innenstädte verlieren an Vitalität. Für die Region Westliches Ruhrgebiet und Düsseldorf wurden schon 2003  Verkaufsflächenüberhänge von bis zu 250.000 qm ohne jede weitere Verkaufsflächenplanung ermittelt. Trotzdem geht das Aufrüsten der Verkaufsflächen an umstrittenen Standorten weiter, so zum Beispiel die CentrO-Erweiterung. Damit muss Schluss sein!

Die Bezirksregierung Düsseldorf moderiert und begleitet regionale Einzelhandelskonzepte. Bereits im Sommer 2004 wurde das Regionale EHK „Westliches Ruhrgebiet  und Düsseldorf“ verabschiedet. Zur Unterstützung der Kernaussagen sollen diese als verbindliche Ziele in den Gebietsentwicklungsplan für den Regierungsbezirk Düsseldorf (GEP 99) aufgenommen werden.

Der GEP ’99 ist ein regionaler Entwicklungsplan. Er fördert die freiwillige und interkommunale Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden z. B. bei überregionalen Gewerbestandorten, regional bedeutsamen Wohnstandorten, regionalen Grünzügen und Güterverkehrszentren. Der GEP bildet darüber hinaus die Grundlage für eine ausgewogene Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Belange im Regierungsbezirk Düsseldorf. Auf Basis des GEP entscheidet der Regionalrat bei Meinungsunterschieden zwischen den berechtigten Fachinteressen.  

Die Vision eines regionalen Zusammengehörigkeitsgefühls ist aber nicht zu verwechseln mit einer neuen Grenzziehung oder Administration zu Gunsten großer Städte. Stattdessen ist jede Stadt gefordert, ihre individuellen Stärken in eine regionale Kooperation einzubringen. Nur die Bereitschaft der Kooperation bei gleichzeitiger Überwindung des kommunalen Konkurrenzdenkens kann dauerhaft zu einer vielfältigen, stabilen Städtelandschaft mit attraktiven Einzelhandelslagen führen. Der städtebauliche Beitrag der Bezirksregierung Düsseldorf zur Stärkung der Innenstädte liegt in der Förderung Innenstadt stärkender Maßnahmen im Rahmen der Städtebauförderung. Denn attraktive Innenstädte ziehen Besucher an, sorgen für Vitalität und sind auch für den Handel attraktiv. Umgekehrt wird bei Innenstadt schwächenden Planungen die Sanktionierung von Städtebaufördermitteln vorgenommen. 

Jürgen Büssow ist seit 1995 Regierungspräsident des Regierungsbezirks Düsseldorf.

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