Rechtliche Auswirkungen des Coronavirus

Neues Beratungsangebot

29. Juli 2020von FHa, VS, ker; aktualisiert: paw, Stand: 29.07.2020

Um ihre Mitglieder in diesen besonderen Zeiten noch effektiver beraten zu können, haben sich die Architektenkammern der Länder Bayern, Baden-Württemberg und NRW sowie die Bundesarchitektenkammer entschlossen, ihr schriftliches Informationsangebot zu bündeln.

Auf der Seite https://www.bak.de/architekten/coronavirus/rechtliche-hinweise/ finden Sie die Antworten auf die Fragen, die Planerinnen und Planer derzeit besonders bewegen, etwa zum Arbeitsrecht, Bau- und Architektenrecht oder Vergaberecht.

Bitte beachten Sie:

Wenn Sie Fragen zu diesem neuen Informationsangebot oder darüber hinaus haben, wenden Sie sich bitte jederzeit gerne, wie gewohnt, telefonisch oder per E-Mail an Ihre Rechtsberatung der AKNW (https://www.aknw.de/mitglieder/beratung/rechtsberatung/). Wir sind für Sie da!

Für eilige Leser*innen

Für eilige Leser*innen haben wir nachfolgend einige Kernaussagen zum Arbeitsrecht und zum Bau- und Architektenrecht in Zeiten der Coronakrise zusammengefasst:

  • Büroinhaber haben als Arbeitgeber die besonderen Erfordernisse beim Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Pandemie zu beachten. Details zu den jeweils aktuellen Arbeitsschutzvorgaben finden Sie auf unserer Seite "Corona und die Regeln in NRW".
  • Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung wird durch das Auftreten des Coronavirus nicht berührt. Dem Arbeitnehmer steht aus Furcht vor Ansteckung auf dem Weg zur Arbeit oder aber am Arbeitsplatz selbst kein Zurückbehaltungsrecht bezgl. seiner Arbeitsleistung zu. Er kann also nicht – aus Gründen vermeintlicher Prävention – „einfach zu Hause bleiben“.
  • Ist der Arbeitnehmer infolge der Infektion arbeitsunfähig und somit an seiner Arbeitsleistung verhindert, dann hat er gem. § 3 EFZG Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für einen Zeitraum von 6 Wochen. Nach diesem Zeitraum hat ein gesetzlich Krankenversicherter grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung kann wegfallen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt hat. Ein solcher Fall könnte unter Umständen vorliegen, wenn der Arbeitnehmer trotz bestehender Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wegen einer erhöhten Ansteckungsgefahr in ein Risikogebiet fahren würde. Auf den Anspruch auf Krankengeld hat ein schuldhaftes Verhalten grundsätzlich keine Auswirkung.
  • Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung, wenn die Kindertagesstätte/die Schule betreuungspflichtiger Kinder geschlossen wird. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 616 BGB scheidet aus, wenn von vornherein feststeht, dass der Hinderungsgrund über einen längeren Zeitraum besteht. Das dürfte bei der „coronabedingten“ Schließung der Kita oder der Schule der Fall sein. Der Bundesgesetzgeber hat jedoch inzwischen reagiert und mit der Einführung des § 56 Abs. 1 a Infektionsschutzgesetz Abhilfe geschaffen: Wer wegen Schul- oder Kitaschließung die eigenen Kinder betreuen muss und daher nicht zur Arbeit kann, soll gegen übermäßige Einkommenseinbußen abgesichert werden. Eltern erhalten demnach eine Entschädigung von 67 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens (maximal 2.016 Euro) für bis zu 10 Wochen. Diese Frist gilt für jedes Elternteil, so dass zwei Elternteile eine Entschädigung für insgesamt 20 Wochen beantragen können. Eine alleinerziehende Person kann die Entschädigung ebenfalls für einen Zeitraum von maximal 20 Wochen beantragen. Der Entschädigungszeitraum muss nicht zusammenhängend verlaufen, die Entschädigung kann auch tageweise beantragt werden. Die Regelung gilt rückwirkend ab dem 30. März 2020 und endet mit Ablauf des Jahres 2020. Die Auszahlung der Entschädigung übernimmt der Arbeitgeber, der bei der zuständigen Landesbehörde einen Erstattungsantrag stellen kann. Voraussetzung dafür ist, dass die erwerbstätigen Eltern Kinder unter 12 Jahren zu betreuen haben, weil eine Betreuung anderweitig nicht sichergestellt werden kann, dass Gleitzeit- beziehungsweise Überstundenguthaben sowie Urlaub ausgeschöpft sind. Weitergehende Informationen sind hier abrufbar.
  • Wenn der Arbeitgeber aufgrund der Erkrankung von zahlreichen Arbeitnehmern oder aber aufgrund von „coronabedingten“ Lieferengpässen den Betrieb nicht aufrechterhalten kann, dann behält der Arbeitnehmer seinen Lohnfortzahlungsanspruch. Das sog. „Betriebsrisiko“ trägt grundsätzlich der Arbeitgeber.
  • Ist ein Arbeitnehmer nachweislich infiziert, aber weiterhin arbeitsfähig, da die Erkrankung keine oder nur milde Symptome zeigt, dann kann der Arbeitgeber ein Fernbleiben des Arbeitnehmers vom Arbeitsplatz anordnen, um eine Ansteckung der Kollegen zu verhindern. Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, dass in einem solchen Fall ein vorübergehender, in der Person des Arbeitnehmers liegender Verhinderungsgrund vorliegen kann, der den Arbeitgeber trotz Wegfalls der Pflicht zur Arbeitsleistung zur Entgeltfortzahlung verpflichtet (§ 616 BGB). Die konkrete Dauer der Entgeltfortzahlung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1978, III ZR 43/77 – nach dieser Entscheidung für höchstens 6 Wochen). Wird dagegen seitens der zuständigen Behörde gegenüber dem infizierten Arbeitnehmer ein Beschäftigungsverbot („Quarantäne“) ausgesprochen, dann steht dem Arbeitnehmer bereits gem. § 56 Abs. 1 IfSG (=Infektionsschutzgesetz) eine Entschädigungsleistung zu, und zwar gem. § 56 Abs. 3 IfSG in Höhe des Netto-Arbeitsentgelts. Nach 6 Wochen hat der Arbeitnehmer sodann Anspruch auf Krankengeld. Die Entschädigung wird zunächst vom Arbeitgeber ausgezahlt; dieser hat gegenüber der Behörde einen Erstattungsanspruch.
  • Der Arbeitgeber ist berechtigt, den aus einem (Auslands-) Urlaub zurückkehrenden Arbeitnehmer zu fragen, ob er sich in einer gefährdeten Region aufgehalten hat. Der Auskunftsanspruch ist dabei regelmäßig auf eine „Negativauskunft“ beschränkt. Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber also nicht darüber informieren, wo genau er seinen Urlaub verbracht hat.
  • Kommt es zu Beeinträchtigungen im Bauablauf oder bei der Durchführung von Architektenverträgen, etwa weil quarantänebedingt Mitarbeiter ausfallen und der Ausfall nicht kompensiert werden kann, wird dies vielfach als Fall sog. höherer Gewalt anzusehen sein, so dass hieraus keine Schadensersatzansprüche des Bauherrn entstehen (vgl. zu Bauleistungen insoweit auch Einschätzung Kapellmann Rechtsanwälte sowie Hecker Werner Himmelreich Rechtsanwälte). Umgekehrt werden Bauzeitverzögerungen infolge der aktuellen Krise in den meisten Fällen kaum einen Mehrhonoraranspruch des Architekten begründen können, weil solche Verzögerungen ihre Ursache auch nicht im Verantwortungsbereich des Bauherrn haben. Umso wichtiger ist es, den Vertragspartner umgehend zu informieren und das weitere Vorgehen bzw. einen aktualisierten Terminplan gemeinsam mit ihm und den weiteren Beteiligten abzustimmen, wenn Fristen oder Termine nicht eingehalten werden können. Planerinnen und Planer bleiben grundsätzlich verpflichtet, alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um das Bauvorhaben nach Kräften zu fördern – Unmögliches aber kann auch von ihnen nicht verlangt werden.

Einige wichtige Links

Nachfolgend haben wir Ihnen einige wichtige Links, insbesondere zum Arbeitsrecht, aber auch zur (finanziellen) Unterstützung von Familien zusammengestellt.

Corona und Fristen in Baugenehmigungsverfahren

Derzeit scheinen viele Bauaufsichtsbehörden in NRW nicht oder nicht ausreichend besetzt zu sein, sodass sich viele Bauherren und ihre Entwurfsverfasser fragen, welche Auswirkungen dieser „Notbetrieb“ auf Genehmigungsfristen etc. hat. Die Antwort lautet im Grundsatz: Keine.
Das heißt: Es bleibt bei den auch vor Corona üblichen Fristen im Genehmigungsverfahren. Eine gute Übersicht über die Planungs-, Genehmigungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren in Zeiten von Corona gibt ein Beitrag der auf das Bau- und Architektenrecht spezialisierten Kanzlei Kapellmann und Partner, den Sie hier finden.

Runderlass des MWIDE NRW zur Anwendung des Vergaberechts

Um sicherzustellen, dass die öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen zur Eindämmung der Epidemie handlungsfähig bleibt und Beschaffungen zum Zweck des Gesundheitsschutzes und zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes schnell und effizient abgewickelt werden, haben das Ministerium der Finanzen und das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie im Rahmen eines gemeinsamen Runderlasses für unter § 55 LHO fallende Behörden (insbesondere Landesbehörden) folgende Erleichterungen im Vergabeverfahren angeordnet:

  • Bei Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 3.000,00 Euro netto (bisher 1.000,00 Euro) muss kein Vergabeverfahren durchgeführt werden. Stattdessen ist ein Direktauftrag möglich. Dies gilt unabhängig vom Charakter und Zweck des Auftrages.
  • Für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen, die der Eindämmung und kurzfristigen Bewältigung der Corona-Epidemie und/oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes dienen, wird die Anwendung der Unterschwellenvergabeverordnung (=UVgO) bis zum 31.12.2020 ausgesetzt. Überschreitet eine solche Maßnahme den EU-Schwellenwert, dann kann die Leistung schnell und effizient über das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb in Anwendung des § 119 IV GWB in Verbindung mit den §§ 14 IV, 17 VgV beschafft werden. Der EU-Schwellenwert liegt für Dienst- und Lieferaufträge bei 214.000 Euro netto, für Bauaufträge bei 5.350.000 Euro.

Der Erlass vom 27.03.2020 war ursprünglich bis zum 30.06.2020 begrenzt, wurde aber aufgrund der aktuellen Entwicklung bis zum 31.12.2020 verlängert.

Weitere Details entnehmen Sie bitte dem Erlass, welcher hier abrufbar ist.

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