Rechtsproblem des Monats: Abschlagsrechnung nach Schlussrechnungsreife

Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen: „Vom Bauherrn wurde ich für ein Neubauvorhaben mit den Leistungsphasen 1 – 8 entsprechend der HOAI beauftragt. Im Vertrag habe ich mit meinem Bauherrn ausdrücklich den Anspruch auf Abschlagszahlungen vereinbart. Bislang hat der Bauherr alle fünf Abschlagrechnungen auch beglichen. Meine Tätigkeiten habe ich soweit bereits beendet. Auch die Abnahme haben wir bereits durchgeführt. Für die Schlussrechnung benötige ich wegen komplexer Abrechnungsfragen jedoch noch Zeit. Daher habe ich meinem Bauherrn eine weitere 6. Abschlagsrechnung gestellt, die dieser nun nicht mehr beglichen hat. - Kann ich dem Bauherrn gegenüber nach erfolgter Mahnung nun Verzugszinsen in Rechnung stellen?“

09. September 2020von Dorothee Dieudonné

Das Oberlandesgericht Koblenz hat zuletzt in einem vergleichbaren Fall mit Urteil vom 23.05.2019 (AZ: 2 U 1447/16) den Anspruch auf eine weitere Abschlagszahlung und damit auch Verzugszinsen verneint. Diese Entscheidung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung.

Einem Auftragnehmer steht danach ein Anspruch auf eine Abschlagszahlung nicht mehr zu, wenn das Vertragsverhältnis durch Kündigung, einvernehmliche Vertragsaufhebung oder in sonstiger Weise beendet worden ist. In einem solchen Fall hat er nach Auffassung der Rechtsprechung seine Leistungen vielmehr umfassend abzurechnen. Ein etwaiger, zuvor bestandener Anspruch auf Zahlung eines Abschlages erlischt infolge der Schlussrechnungsreife. Dementsprechend befindet sich der Auftraggeber bei erfolgter Abnahme und damit Eintritt der Schlussrechnungsreife nicht mit der Zahlung eines (nicht mehr) gegebenen Anspruchs auf einen Abschlag in Verzug, sodass der Architekt auch keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen hat.

Praxistipp:
Nach der Abnahme - also bei Schlussrechnungsreife - muss schlussgerechnet werden! Das Recht, Abschlagszahlungen zu verlangen, erlischt mit der Schlussrechnungsreife. Auch wenn die Erstellung einer Schlussrechnung nach den Vorschriften der HOAI außerordentlich kompliziert sein und damit äußerst zeitaufwendig werden kann, kann der Architekt oder die Architektin nach der Abnahme durch Übergabe einer weiteren Abschlagsrechnung keinen weiteren Anspruch auf Abschlagszahlung auslösen. Es ist daher für den Architekten bzw. die Architektin entscheidend, den richtigen Zeitpunkt für die letzte Abschlagsrechnung zu finden, um vor Eintritt der Schlussrechnungsreife den größten Teil der Vergütung durch Abschlagsrechnungen zu erlangen.

Der Architekt kann auf eine Honorarschlussrechnung auch bereits vor dem Zahlungsverzug des Bauherrn Zinsen verlangen, sog. Fälligkeitszinsen. Da der Zinsanspruch nach § 641 Abs. 4 BGB die Abnahme durch den Auftraggeber voraussetzt, gilt dies allerdings nur für Schlussrechnungen. Die Fälligkeit einer Schlussrechnung, die sich nach § 15 Abs. 1 HOAI in Verbindung mit § 650 q Abs. 1 und § 650 g Abs. 4 BGB bestimmt, setzt neben der Abnahme der Leistungen die Stellung einer prüffähigen Schlussrechnung voraus. Die Höhe der Zinsen richtet sich nach § 246 BGB und beträgt 4 Prozent, bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft nach § 352 HGB 5 Prozent.
Sobald sich der Bauherr bzw. die Auftraggeberin in Zahlungsverzug befindet, kann der Architekt Verzugszinsen verlangen, die dann bedeutend höher sind. Sie betragen 5 Prozent über dem Basiszinssatz, wenn der Auftraggeber ein Verbraucher ist. Ansonsten, insbesondere bei gewerblichen oder öffentlichen Auftraggebern, betragen sie nach § 288 BGB 9 Prozent über dem Basiszinssatz.           

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