Retrospektive: Der jüdische Architekt Manfred Manuel Faber
Kein „rundes Jubiläum“ war der Anlass, endlich mit einem Gedenkstein und einer Feier unter der blühenden Kastanie an Manfred Manuel Faber (26.10.1879 - 16.05.1944) zu erinnern – mitten in der von ihm bis 1929 konzipierten „Märchensiedlung“ der Kölner Vororte Holweide und Dellbrück. Anwohner*innen hatten sich der Aufgabe gestellt, den im Nationalsozialismus als „Volljude“ verfolgten und in Auschwitz ermordeten Architekten dem Vergessen zu entreißen. Ähnliches leisteten im Herbst 2021 auch Mieter*innen der Naumannsiedlung im Stadtteil Riehl.
Der 1879 in Karlsruhe geborene Faber studierte in seiner Heimatstadt Architektur an der TH. Danach zog er zunächst nach Düsseldorf, 1914 nach Köln. 1916/1917 erhielt er seinen ersten großen Auftrag in Grevenbroich: die Anlagen des „Erftwerks“ zur Aluminiumherstellung und dazu gehörende Wohnungen sollten geplant werden. Im Stadtarchiv Grevenbroich findet sich ein Foto, dass Manfred Manuel Faber vor diesen Werkshäusern zeigt.
„Daß ein Mangel an Kleinwohnungen auftrete, wird doch wohl als sicher angenommen werden können“, schreibt Faber im April 1918 unter dem Titel „Billige Wohnungen“ in einer vor kurzem wieder entdeckten „Flugschrift“. Jede Stadt, so seine Forderung, solle „ein ihr gehörendes Grundstück an ihrer Peripherie in der Nähe einer Endstation der Straßenbahn gratis zur Verfügung“ stellen. Nur durch Typisierung könne beim Bau von „300 Stück zugleich“ eine „große Verbilligung erzielt“ werden. Besonderer Wert müsse auf die ästhetische Seite der Häuser gelegt werden.
In seiner „Flugschrift“ hatte Faber auch Initiativen etwa von Köln erwähnt und erhielt dort seinen ersten Auftrag, die „Märchensiedlung“. Auftraggeber war die 1920 auf Initiative der Stadt gegründete GAG (Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Wohnungsbau). Vorbild für die Bebauung entlang einer stadtauswärts führenden Kleinbahn waren die englischen Gartenstadtsiedlungen.
Manuel Faber entwarf eine dörfliche Struktur mit gewundenen Pflasterstraßen, die Namen wie Siebenrabengasse oder Rotkäppchenweg tragen. Seine „Typenhäuser“ versetzte er geschickt, variierte Details. Die GAG plante für Interessenten mittlerer und höherer Einkommensschichten und bot 1927 die rund 180 Häuser zum Mietkauf an. Inzwischen stehen die meisten unter Denkmalschutz.
In der Nachkriegszeit galt aber nicht Faber als maßgeblicher Erbauer der Märchensiedlung, sondern Wilhelm Riphahn (1889 - 1963). Wie ausgelöscht schienen Existenz und Werk Fabers. Eine kurze Erwähnung findet sich in einem 1988 erschienenen Sammelband über Kölner Siedlungen; und 2010 werden Faber und seine Arbeit präsentiert in der Ausstellung „Köln und seine jüdischen Architekten“ sowie in dem dazu erschienenen Buch.
Die Anwohner*innengruppe um Brigitte Seifer-Rüttgen betont, Riphahn habe lediglich im (privaten) Auftrag des GAG-Direktors Friedrich Schmidt eine als „Schlösschen“ bezeichnete Villa und ein gegenüberliegendes Doppelhaus entworfen. „Der Baustil des Ensembles im Rapunzelgässchen unterscheidet sich gänzlich vom Stil der restlichen Siedlung, die Fabers Handschrift trägt“, heißt es auf einer Website der Anwohnergruppe (www.maerchensiedlung-koeln.de). Eine Besonderheit stellt die Bebauung der Märchenstraße dar: Auf der einen Seite zu sehen der sogenannte Heimatstil städtischer Prägung, auf der Anderen Beispiele für den internationalen Stil des „Neuen Bauens“ aus den Jahren 1928/1929.
1930 schloß Faber mit der Naumannsiedlung in Köln-Riehl sein wichtigstes Projekt auch für die GAG ab. Als Hauptarchitekt unterstützt von Fritz Fuß, Hans Heinz Lüttgen und Otto Scheib galt es, billig zu bauen, aber auch dem damaligen kölschen Motto für den sozialen Wohnungsbau gerecht zu werden: „Lich, Luff un Bäumcher“. Auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei entstanden um einen „Dorfplatz“ 631 Einheiten für Familien aus dem Arbeiter- und Angestellten-Milieu. 2021 wurde auf Initiative einer Gruppe von Mieter*innen mit einer Bronzetafel Fabers gedacht, inzwischen ist ein Denkmal geplant. Die „expressionistische Dekoration an sachlicher Grundform“ zeigt sich wieder unverfälscht, seit das heute kommunale Immobilienunternehmen GAG die denkmalgeschützte Siedlung von 2008 bis 2020 umfassend restauriert hat.
Außer ein paar Wohnadressen bleibt im Dunkel, wie Faber vor und im Dritten Reich lebte. 1935 bezog er sein eigenes, selbst erbautes Haus mit Atelier in einer „Kolonie für Kunstschaffende der GAG“ in Ehrenfeld. 1936 schloss ihn nach 18-jähriger Mitgliedschaft der Architekten- und Ingenieur-Verein aus „rassepolitischen Gründen“ aus. Die Zwangseinweisung in ein „Ghetto-Haus“ ist belegt. Am 27.7.1942 folgte die Deportation vom Messelager in Köln-Deutz nach Theresienstadt. Am 15.5.1944 kam Faber von dort nach Auschwitz, am Folgetag wurde er im Alter von 64 Jahren ermordet. In die Gegenwart geholt und haben ihn nun die Menschen, die in seinen Bauten leben; und ihm ein Gesicht gegeben.
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