Schutz vor Entstellung des Werkes
Parallel zur wachsenden Bedeutung des Themas „Bauen im Bestand“ stellt sich für Architektinnen und Architekten vermehrt die Frage nach dem urheberrechtlichen Schutz ihrer Werke. In vielen Fällen muss sich der betroffene Architekt gegen den Bauherrn wegen Verletzung des Urheberrechts gerichtlich zur Wehr setzen. Das Landgericht Bielefeld musste sich mit einem Fall befassen, in dem der Bauherr auf Feststellung klagte, dass ein Urheberrecht des Architekten nicht besteht. Das Gericht wies die Klage ab (Urteil v. 25.05.2004, AZ: 4 O 255/02).
Klägerin in vorliegendem Fall war eine Kirchengemeinde, für die der beklagte Architekt A. in den 60er Jahren eine Kirche mit Jugendheim und Kindergarten entworfen und realisiert hatte. Seit Anfang der 80iger Jahre wurde das Jugendheim als Gemeindehaus genutzt und sollte im Jahr 2000 erweitert werden.
Auf Wunsch der Kirchengemeinde unterbreitete der Beklagte einen Vorschlag, das Gemeindehaus ebenerdig durch Anbau eines Raumes zu erweitern. Die Kirchengemeinde beauftragte nach einer ersten Besprechung mit dem Beklagten A. allerdings den Architekten B., der der Klägerin u. a. Pläne zum Neubau eines aufgestockten Gemeindegebäudes vorlegte.
Die Klägerin entschied sich für den Neubau u. a. deshalb, da nach ihrer Ansicht das alte Gemeindehaus sanierungsbedürftig und ein Neubau kostengünstiger war. Ferner seien für den Umbau erheblich weniger Zuschüsse zu erwarten als für eine Neuerrichtung, und nur das neue, höhere Gebäude gewähre die erforderliche Nutzfläche. Der beklagte Architekt A. verweigerte jedoch unter Verweis auf sein Urheberrecht die Zustimmung zu diesem Vorhaben. Er verlangte vom Bauordnungsamt die Zurückweisung der von der Klägerin bereits eingereichten Anträge auf Erteilung der Abrissgenehmigung für das alte und Erteilung der Baugenehmigung für das neue Gemeindehaus.
Die Kirchengemeinde wollte daraufhin gerichtlich feststellen lassen, dass ein dahingehender, insbesondere urheberrechtlicher Anspruch des Beklagten nicht besteht. Das Gericht bejahte jedoch das Vorliegen eines urheberrechtlich geschützten Werkes der Baukunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Urhebergesetz (UrhG). Der künstlerische Wert eines Projektes kann sich nach der Rechtsprechung nicht nur aus den einzelnen Gebäuden ergeben, sondern auch aus der Art und Weise der Zuordnung der Gebäudes zueinander und aufgrund der in ihnen zum Ausdruck kommenden Gestaltungsmerkmale und Stilelemente. Dies ergibt sich daraus, dass bei einem Bauwerk, das aus mehreren Gebäuden besteht, die Umgebung für jedes Gebäude durch das Vorhandensein der anderen Gebäude mitbestimmt wird (vgl. BGHZ 24, 55, 64f.). Diese Voraussetzungen sah das Gericht im vorliegenden Streitfall als erfüllt an.
Danach weist der Gebäudekomplex der Kirche mit dem Gemeindehaus als Gebäudeensemble eine besondere eigenschöpferische Gestaltungshöhe auf, die das Ergebnis rein handwerklichen Schaffens und die Umsetzung üblicher Gestaltungsformen deutlich überragt. Die eigenschöpferische Leistung zeige sich vor allem auch vor dem Hintergrund der an das Grundstück anschließenden Wohnhauszeilen, die als Zweckbauten ohne gestalterischen Anspruch anzusehen seien, sowie in der Fassadengestaltung. Das Gericht kommt demnach zu dem Ergebnis, dass der Beklagte als Urheber des Gebäudekomplexes die von der Klägerin beabsichtigten baulichen Veränderungen nicht hinnehmen muss, sondern vielmehr nach § 14 UrhG die Unterlassung verlangen kann. Nach dieser Vorschrift hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seines Werks zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Voraussetzung ist allerdings, dass eine stets erforderliche Abwägung der Interessen des Urhebers an der unverfälschten Erhaltung seines Werkes und den Interessen des Eigentümers an der freien Verfügungsbefugnis über sein Eigentum zugunsten des Urhebers ausfällt. Dies sah das Gericht hier als gegeben an.
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