66. VVS in Düsseldorf: Die Delegierten zeigten sich diskussionsfreudig und behandelten mehr als zwei Dutzend Anträge zur Berufspolitik und zu kammerintenen Fragestellungen – Foto: Ingo Lammert/Architektenkammer NRW

Vertreterversammlung: Klimaschutz als Leitmotiv

Die Dringlichkeit und gesellschaftliche Bedeutung des klimaverträglichen Planens und Bauens war eines der Leitmotive der 66. Vertreterversammlung (VVS) der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Die Delegierten des NRW-Architektenparlaments beschlossen auf ihrer Jahrestagung am 12. Oktober in Düsseldorf gleich mehrere Anträge, die diesem Ziel verpflichtet waren. So wurde bekräftigt, dass die AKNW sich ausdrücklich zu ihrer besonderen Verantwortung und Vorbildfunktion in dieser Aufgabe bekennt und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zum Schutz des natürlichen Klimas, zur Entwicklung von Maßnahmen der Klimaresistenz und zum nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen beiträgt. Auch wird die Kammer das Thema „Klimaschutz“ künftig in ihrer Öffentlichkeitsarbeit durch neue Projekte und Formate stärker in den Mittelpunkt rücken. „Die Gestaltung unserer gebauten Umwelt ist ein umfassender kultureller Auftrag“, betonte der Präsident der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing. Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner könnten in ihrer täglichen Arbeit dazu beitragen, Bauprojekte möglichst umweltverträglich zu gestalten und ihren Bauherren entsprechende Konzepte vorzuschlagen. „Die Themen Umweltschutz, Klimaneutralität und Nachhaltigkeit werden unsere Arbeit noch stärker prägen als bisher“, lautete die Quintessenz zahlreicher Anträge zur 66. Vertreterversammlung der größten deutschen Architektenkammer.

14. Oktober 2019von Christof Rose

Um Nachhaltigkeit ging es auch in einem Antrag, mit dem sich die AKNW verpflichtet, sich intensiv mit der Fragestellung der „besonders erhaltenswerten Bausubstanz“ zu beschäftigen. Einstimmig wurde beschlossen, die Nutzung grauer Energie und die identätitsstiftende Wirkung erhaltenswerter Bauwerke auch jenseits des Denkmalschutzes verstärkt zu thematisieren.

Die VVS bekundete auch die Absicht, die Arbeitseffizienz und den ökologischen Fußabdruck der vielfältigen und wichtigen Arbeit der Kammergremien zu optimieren, indem zunehmend Videokonferenzen als Arbeitsinstrument durchgeführt werden sollen.

Baukammerngesetz und Landesbauordnung
Zu den berufspolitischen Anträgen zählten Forderungen an die Adresse der Landesregierung, die überfällige Novellierung des Baukammerngesetzes zeitnah umzusetzen. Insbesondere die Fortschreibung des Berufsbildes erscheint mit Blick auf die notwendige Freistellung aller Kammermitglieder von der Versicherungspflicht bei der Deutschen Rentenversicherung und auch hinsichtlich arbeitsrechtlicher Freistellungsmöglichkeiten für angestellte Architektinnen und Architekten für die ehrenamtliche Kammerarbeit unverzichtbar. Zudem will sich die Architektenkammer künftig gegenüber dem NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sowie auf Bundesebene verstärkt dafür einsetzen, dass die Einführung bauaufsichtlicher Bestimmungen auf das baurechtlich unbedingt erforderliche Maß beschränkt bleibt und dass dabei sowohl Kostenauswirkungen als auch die planerische Umsetzbarkeit der Anforderungen berücksichtigt werden. „Wenn wir die Baukosten im Griff behalten oder sogar reduzieren wollen, führt daran kein Weg vorbei“, stellte Kammerpräsident Ernst Uhing fest.

MHKBG NRW: Arbeit an Novellierungen läuft
„Wir arbeiten bereits intensiv an der Novellierung des Baukammerngesetzes NRW“, bekräftigte Dr. Thomas Wilk, Abteilungsleiter im NRW-Bauministerium, in seinem Grußwort vor der Vertreterversammlung. Wilk, der die Aufsichtsbehörde der AKNW auf der VVS repräsentierte, dankte der AKNW für die vielfältigen Anregungen zu dieser Thematik. „Ich muss Sie aber um etwas Geduld bitten, weil noch einige wichtige Abstimmungsprozesse durchlaufen werden müssen – etwa zur Berufsanerkennungsrichtlinie der EU.“
Kurzfristig umsetzen wolle das Ministerium aber die Überarbeitung der Bauordnung des Landes NRW. „Es gibt die Notwendigkeit zu einigen Klarstellungen, es gab verschiedene Hinweise aus der Praxis – auch seitens der Architektenkammer NRW. Das wollen wir im ersten Quartal 2020 umsetzen“, kündigte Dr. Thomas Wilk an.

Das Ministerium sei auch intensiv befasst mit der Neuausrichtung der Baupolitischen Ziele des Landes NRW. Die Themen des Jahres 2002, aus denen die aktuell gültigen Baupolitischen Ziele stammen, hätten sich teils stark weiterentwickelt, teils auch überholt. „Wir müssen neue Themen zentral positionieren, etwa die Nachhaltigkeit und die Digitalisierung. Beide beeinflussen das Planen und Bauen in Nordrhein-Westfalen heute und in Zukunft fundamental.“ Wegen der grundlegenden Bedeutung strebe die Bauministerin einen breiten öffentlichen Beteiligungsprozess an, der einige Zeit beanspruchen werde.
Insgesamt betonte der Abteilungsleiter aus dem MHKBG die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand. Sein Haus nehme diese Verpflichtung sehr ernst.

Uhing: HOAI nach Urteil des EuGH festigen!
Kammerpräsident Ernst Uhing dankte Dr. Wilk und NRW-Heimat- und Bauministerin Ina Scharrenbach für die enge, vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit. In seinem Jahresbericht unterstrich der Präsident, dass die AKNW im Konzert der deutschen Architektenkammern darauf hinwirken werde, die Kohärenz innerhalb der Planungsbranche in Deutschland herzustellen, deren Fehlen der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil zur HOAI moniert hatte. „Unser Ziel dabei ist es, in einem zweiten Schritt dann die Wiedereinführung der HOAI-Mindestsätze zu erreichen“, erläuterte Uhing das strategische Vorgehen auf Bundesebene. Unverzichtbar sei, dass die Öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion auch in dieser Frage wahrnehme und die HOAI weiterhin als Grundlage für Auftragsvergaben nutze.
Zu einer lebendigen Baukultur gehöre auch, dass das Land für öffentliche Bauvorhaben wieder eine feste Quote für „Kunst-und-Bau“-Projekte einführen müsse. „Das wäre ein öffentlichkeitswirksamer, augenfälliger Ausdruck der Wertschätzung von Architektur und bildender Kunst gleichermaßen“, unterstrich Ernst Uhing.

Einen Schwerpunkt seiner Rede legte Uhing auf die Frage des Wohnungsbaus in Nordrhein-Westfalen. „Wir brauchen ein echtes Klima für den Wohnungsneubau“, forderte der Präsident der Architektenkammer NRW. Dafür müssten eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt werden, etwa die Klärung der Bodenfrage („der eigentliche Flaschenhals“), mehr Nachverdichtung in den Städten, die Stärkung kommunaler Vorkaufsrechte; insgesamt die Anpassung des Bau- und Planungsrechtes.

Besonderes Augenmerk legte Ernst Uhing auf die Einbindung der nachwachsenden Planergeneration in die Arbeit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Ein erster großer Schritt dazu sei mit der Kampagne „Junge Planer“ gelungen, welche die AKNW im Herbst 2018 gestartet habe und die sehr erfolgreich dabei sei, den Berufsnachwuchs mit speziellen Veranstaltungen persönlich anzusprechen und für die Arbeit der Architektenkammer zu interessieren. „Wir wollen aus den jungen Leuten keine Funktionäre machen, sondern ihnen eine Plattform für ein Willkommen bieten, wie es sie bundesweit noch nicht gibt“, rief Ernst Uhing und verwies auf das vom Kammervorstand beschlossene Vorhaben, „Junior-Mitgliedschaften“ zu ermöglichen.

„Junior-Architekt“ auf dem Weg
Einen Zwischenbericht zu diesem Thema gab Claus Klein, der Vorsitzende des Ausschusses „Belange der Tätigkeitsarten“. Eine „Junior-Mitgliedschaft“ für angehende Kammermitglieder würde den jungen Mitgliedern eine geschützte Berufsbezeichnung bringen, ihnen Rechte und Pflichten zuordnen. „Junge Planerinnen und Planer in die Kammer aufnehmen zu können, würde nicht nur eine frühzeitige Einbindung ermöglichen, sondern auch junge Ideen und Impulse in die Kammerarbeit einspeisen“, betonte Claus Klein. Die Vertreterversammlung bekräftigte, dass das Ziel weiterverfolgt werden soll.

Weitere Anträge zur Berufspolitik
Das nordrhein-westfälische Architektenparlament befasste sich mit mehr als zwei Dutzend Anträgen zur Berufspolitik und zu internen Fragestellungen. So soll im Zuge der „Kohärenz-Debatte“ erreicht werden, dass nur solche Personen bauvorlageberechtigt sind, die ihre Qualifikation nachgewiesen haben. Auch wird geprüft, inwiefern im Bereich der Stadtplanung ein exklusives „Planvorlagerecht“ geschaffen werden könnte. „Städtebauliche Pläne dienen immer der Allgemeinheit und haben eine hohe gesellschaftliche Relevanz“, unterstrich Prof. Rolf-Egon Westerheide in der Begründung des Antrags, der mit großer Mehrheit angenommen wurde. Weitere Anträge befassten sich mit dem Normungswesen, das intensiver durch die Arbeit der deutschen Architektenkammern begleitet werden soll. Hier wird die Bundesarchitektenkammer gebeten, im Rahmen des Konzeptes „Federführung plus“ eine stärkere Befassung zu ermöglichen.

Diskutiert wurde auch die Frage, was die AKNW dazu beitragen kann, um der Ungleichbezahlung von Frauen und Männern innerhalb des Berufsstandes entgegen zu wirken. Zu der Thematik hat die AKNW bereits einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, der sich eng mit den Spiegelgremien bei der BAK und auf europäischer Ebene mit dem ACE austauschen wird.

Baukunstarchiv NRW: ein Erfolgsprojekt!
Mit großer Zustimmung nahm die Vertreterversammlung den Bericht von AKNW-Hauptgeschäftsführer Markus Lehrmann über das erste Arbeitsjahr des „Baukunstarchiv NRW“ entgegen. Das Haus werde intensiv genutzt und sei auch bei externen Veranstaltern sehr beliebt. Mehr als tausend Besucherinnen und Besucher werden jeden Monat in dem Haus am Ostwall 7 in Dortmund gezählt. Rund 50 Nachlässe wurden bereits in den Bestand aufgenommen, zu einzelnen wurden Forschungsprojekte vereinbart; etwa (mit Förderung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe) über das Werk Harald Deilmanns. „Nicht jeder Nachlass muss in unser Haus wandern“, erläuterte Markus Lehrmann, der auch die Geschäftsführung für das Baukunstarchiv NRW leistet. „Wir vernetzten auch Nachlässe, die in sito verbleiben.“

Mit sechs Ausstellungen und vielfältigen Tagesveranstaltungen war das Baukunstarchiv NRW im ersten Jahr seiner Existenz durchgehend bespielt. Für das Jahr 2020 sind erneut sechs Ausstellungen geplant, u.a. über „Reproduktives Entwerfen“ oder „Ernst Ludwig Kirchner – Vor der Malerei die Architektur“.
„Das Baukunstarchiv NRW ist ein atmosphärischer, attraktiver Ort geworden“, lautete das gemeinsame Resümee von Markus Lehrmann und Kammerpräsident Ernst Uhing, der auch als Sprecher die Gesellschafter der Baukunstarchiv gGmbH vertritt. „Es war eine wunderbare Idee der Vertreterversammlung, diese Institution zu beschließen!“

Versorgungswerk mit Rekordbeiträgen
„Natürlich kann unser Versorgungswerk sich dem Trend der Märkte nicht entziehen“, stellte Wolfgang Zimmer, Vorsitzender des Aufsichtsausschusses des Versorgungswerks der AKNW, in seinem Bericht an die 66. Vertreterversammlung der AKNW fest. „Aber unsere Strategie der Diversifizierung hat sich bewährt, und unser Versorgungswerk hat sich trotz weiterhin unruhiger Finanzmärkte gut behauptet.“ Der Rechnungszins habe im Jahr 2018 sogar leicht übertroffen werden können.

Das Versorgungswerk der AKNW hatte Ende 2018 genau 43 902 Mitglieder, von denen 65 Prozent angestellt tätig waren; 34 % waren Freischaffende, ein Prozent Beamte. Die Beitragseinnahmen erreichten im Jahr 2018 einen neuen Höhepunkt mit 417,8 Millionen Euro. Die Bilanzsumme betrug zum Jahresabschluss rund 10,6 Milliarden Euro. „Im September 2019 haben wir die 11 Milliarden-Marke geknackt“, stellt Wolfgang Zimmer fest.

Die Renditeaussichten für 2019 seien gut, weil die weiter sinkenden Zinsen immer mehr Investoren in den Aktienmarkt treiben, mit dort wachsenden Renditen. Insbesondere die soliden Rentenpapiere, die das Versorgungswerk hält, entwickelten sich deshalb positiv. Die Kursgewinne, die hier erzielt werden, könnten aber nicht auf die weitere Zukunft projiziert werden, warnte Zimmer. „Insgesamt hat sich unser Versorgungswerk weiterhin solide und erfolgreich auf einem schwierigen Markt behauptet!“

Stärkung des Generalisten
Wie kann der generalistische Anspruch des Berufsstandes erhalten, zugleich aber die Verdeutlichung von Spezialkompetenzen von Architekten und Planern ermöglicht werden? Diese Fragestellung wird gegenwärtig auf Ebene der Bundesarchitektenkammer intensiv diskutiert. Wie AKNW-Hauptgeschäftsführer Markus Lehrmann, der in der entsprechenden Arbeitsgruppe mitwirkt, der Vertreterversammlung erläuterte, gibt es heute in den Architektenkammern der Bundesländer bereits rund 50 Fachlisten, Verzeichnisse und Zertifikate, die Spezialisierungen deutlich machen. Angestrebt werde, hier eine bundesweite Vereinheitlichung herzustellen mit dem Ziel, den Architekten als Generalisten zu positionieren, der besondere Fachkunde in „Registern“ deutlich machen kann.

Die Arbeitsgruppe habe fünf Berufsfelder identifiziert, die länderübergreifend als „registerrelevant“ erkannt werden: Brandschutz, SiGeKo, Fachpreisrichter, Vergabe/Wettbewerbsbetreuung sowie Energieeffizienz. Für diese fünf Felder wurde ein einheitlicher Qualifikationsrahmen definiert. Aktuell, so schloss Markus Lehrmann seinen Bericht, befasse sich die Arbeitsgruppe in Berlin damit, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu bestimmen und mit dem BAK-Rechtsausschuss abzustimmen. Ein Grundsatzbeschluss des BAK-Vorstands solle im November gefasst werden. Die Entscheidung, Register einzuführen, würde dann aber jeder Länderkammer überlassen bleiben. „Nach dem Wegfall der Mindest- und Höchstsätze der HOAI besteht jetzt erst recht ein Handlungsbedarf für Architektinnen und Architekten, besondere Qualifikationen gegenüber Auftraggebern deutlich machen zu können“, ergänzte der Hauptgeschäftsführer der AKNW. Das NRW-Architektenparlament nahm den Bericht zustimmend zur Kenntnis.

Haushalt 2020
Das Volumen des Kammerhaushalts wird im kommenden Jahr rund 8,7 Millionen Euro betragen. Außergewöhnliche Investitionen werden aufgebracht für die Beschaffung eines neuen Verwaltungsprogramms und für den notwendigen Relaunch der Website aknw.de. Die Vertreterversammlung verabschiedete den Haushaltsplan 2020 einstimmig.

Willkommen und Abschied
Mit großer Mehrheit wählten die Delegierten der 66. VVS Susanne Crayen zur Vizepräsidentin der AKNW. Die Bielefelder BDA-Architektin übernimmt die Aufgabe von Michael Arns, der das Amt seit 2001 innehatte. Die Vertreterversammlung dankte Michael Arns mit Standing-Ovations für sein fast 30-jähriges ehrenamtliches Engagement für die Architektenkammer NRW und für die Baukultur im Lande. Kammerpräsident Ernst Uhing würdigte den langjährigen Weggefährten als Kämpfer für die Baukultur im Lande und als anerkannten Fachmann im Bereich Bestandsarbeit und Denkmalschutz. „Du warst immer zur Stelle, wenn Du gebraucht wurdest. Kampfeslustig, manchmal knorrig, aber immer kollegial.“ Michael Arns habe stets zuerst den Menschen im Blick gehabt, schloss Uhing.

Auch Dr. Thomas Wilk vom MHKBG NRW nutzte sein Grußwort an die VVS, um einige persönliche Worte an den scheidenden Vizepräsidenten zu richten: „Mit Michael Arns verabschiedet sich eine verdiente Persönlichkeit und ein Mensch, den ich persönlich sehr schätze. Ganz herzlichen Dank für die Zusammenarbeit!“

Mit Friederike Proff wählte das Architektenparlament ein weiteres neues Gesicht in den Vorstand der Kammer. Die freischaffende Architektin aus Düsseldorf folgt auf Dr. Rainer Norten, der sein Amt im Vorstand niederlegte und ebenfalls durch die Vertreterversammlung mit stehendem Applaus gewürdigt wurde. Friedrike Proff wurde zugleich zur Vorsitzenden des Finanzausschusses der AKNW gewählt.

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