Vorrang für den Bestand!

Wie ein roter Faden zog sich die Frage, wie die Entwicklung unserer Baubestände mit dem Ziel schneller zusätzlicher Wohnungsbauten konstruktiv verbunden werden kann, durch die Sitzung des Vorstands der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 2. Dezember 2025. „Wir begleiten gegenwärtig auf allen drei Entscheidungsebenen wichtige Prozesse, die es aktiv zu formen gilt: bei der Europäischen Union, im Bund und im Land Nordrhein-Westfalen“, erklärte Kammerpräsident Ernst Uhing im Kreis des AKNW-Vorstands.

11. Dezember 2025von Christof Rose

Der nordrhein-westfälische Landtag hatte die AKNW im Herbst zu verschiedenen Anhörungen und Stellungnahmen eingeladen. 

Initiativen für mehr Aufstockungen

So fordert die SPD-Fraktion aktuell in einem Antrag an den NRW-Landtag „Mehr Wohnraum im Quartier trotz Flächenmangel: NRW braucht ein Sonderprogramm für die Aufstockung im Bestand“. In ihrer Stellungnahme betont die Architektenkammer, dass eine städtebaulich vertretbare Nachverdichtung und Aufstockungen gute Wege sein können, um den Flächenmangel in den urbanen Agglomerationen des Landes zu lindern. Der Kammervorstand unterstrich in seiner Diskussion, dass hierzu Genehmigungsverfahren vereinfacht, harmonisiert und beschleunigt werden müssen. „Eine praxisgerechte ‚Oldtimer-Regelung‘ für Bestandsgebäude wäre ein zentrales Instrument für mehr Aufstockungsprojekte“, so AKNW-Präsident Ernst Uhing. Der Vorstand empfahl der Landesregierung, über ein flankierendes Sonderprogramm zur Aufstockung von Wohngebäuden Impulse zu setzen; wobei sich die Förderung der Zukunft an Lebenszyklusanalysen und somit an geringem Impact auf das Global Warming Potential (GWP) orientieren müsse.

Positionen zur Umsetzung der EPBD auf Landesebene

Die Einführung einer „Oldtimer-Regelung“ in der Bauordnung NRW zur beschleunigten Transformation des Bestandes ist auch eine zentrale Forderung der Architektenkammer NRW zur Umsetzung der Anforderungen der EU-Gebäuderichtlinie auf Ebene des Landes NRW. Zweite zentrale Position der Kammer ist die Einführung des „Gebäudetyp-E“ auf Bundes- und Landesebene. Ergänzend müssten die Ökobilanz und ein Gebäuderessourcenpass im Bauordnungsrecht verankert werden. 

Die Architektenkammer NRW empfiehlt, bei den Zielanalysen das Quartier ins Zentrum gesamtstädtischer Betrachtungen zu stellen. Parallel dazu wird die AKNW – auch im Verbund der deutschen Länderarchitektenkammer und der BAK – dafür werben, dass der Berufsstand seine Mitglieder als Expertinnen und Experten im Bundesregister Nachhaltigkeit weiter etabliert.

Anpassung der EU-Klimaziele

Etwas Schwung verloren hat die Europäische Union bei ihren selbstgesteckten Klimazielen. Die EU-Umweltminister einigten sich am 05.11.25 auf ein neues Zeittableau. Ursprünglich war vorgesehen, die Treibhausgasemissionen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bis zum Jahr 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Nach Druck aus Osteuropa (insbesondere Polen) dürfen nun fünf Prozent dieser Reduktion ab 2031 über internationale Klimazertifikate kompensiert werden. „Die Verwässerung durch Zertifikate und die ebenfalls avisierte Verschiebung des ETS II ist ein Rückschritt, da Investitionen in die Transformation hinausgezögert werden“, kritisierte Kammerpräsident Ernst Uhing. Angesichts der enormen Herausforderung, die auch das nun bestehende Ziel darstelle, bleibe die Aufgabe einer umfassenden Bestandssanierung ein wichtiger Auftrag an die planenden Berufe, so der AKNW-Vorstand.

Abriss nur mit Genehmigung

Im Rahmen der Vertreterversammlung im September 2025 wurde beschlossen, dass im Zuge der Novelle zur Landesbauordnung eine Positionierung gegen den „verfahrensfreien Abriss“ (festgelegt in § 62 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 BauO NRW 2018) eingenommen werden soll. Für den Ausschuss „Planen, Bauen, Technik“ stellte dessen Vorsitzender Manfred Krick dem Vorstand die Argumentationskette vor, die darauf abzielt, den rein aus Investorensicht getriebenen, bisweilen vorschnellen Abriss wertiger Gebäudebestände zu vermeiden. Der Vorstand bekräftigte diese Position: „Wenn wir ein Umdenken hin zum Bestandserhalt und zur Bestandsentwicklung voranbringen wollen, müssen wir hier klar Stellung beziehen“, so der Kammervorstand: „Vorrang für den Bestandserhalt.“

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