Bauaufsichtspflicht

01. Dezember 2000von lg, Dezember 2000

Ein Bauherr beauftragte einen Architekten mit Architektenleistungen über die Modernisierung und Instandsetzung eines Mehrfamilienhauses. Gegenstand des Vertrages war unter anderem die Objektüberwachung. Im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten war es erforderlich, einen Graben zu verlegen. Die genaue Ausführung der Leistung wurde in einem Leistungsverzeichnis beschrieben. Mit der Aushebung des Grabens beauftragte der Bauherr einen Dritten. Unter Missachtung des Leistungsverzeichnisses kam es durch das Fehlen eines Sicherungsverbaus zum Einsturz der Außenfassade der Remise. Zu dem Zeitpunkt, in welchem sich die Grabungsarbeiten in einem kritischen Stadium befanden, befand sich der Architekt nicht auf der Baustelle.

Der Bauherr klagt auf Schadensersatz wegen Verletzung der Bauaufsichtspflicht.


Die Klage hatte Erfolg.

Das Gericht war der Auffassung, dass der die Bauaufsicht führende Architekt nicht verpflichtet sei, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. Er muss jedoch nach herrschender BGH-Rechtsprechung "die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Bei wichtigen oder kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet. Besondere Aufmerksamkeit hat der Architekt auch solchen Baumaßnahmen zu widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben."

Die Aufsichtspflicht wurde im vorliegenden Fall auch nicht dadurch gemindert, dass der Architekt einen Teil der Leistung nicht selbst vergeben hat. Selbst wenn er nicht die Möglichkeit hat, auf die Beauftragung eines bestimmten die Qualitätsanforderungen genügenden Bauunternehmers Einfluss zu nehmen und auch nicht weiß, ob die im Leistungsverzeichnis beschriebenen Arbeiten auch in der ausgeschriebenen Art vergeben wurden, wird seine Aufsichtspflicht hierdurch nicht eingeschränkt.

Entscheidend war im vorliegenden Fall, dass der Architekt nur zu Beginn der Grabungsarbeiten auf der Baustelle war, nicht hingegen zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Arbeiten in einem kritischen Stadium befanden. Dieses kritische Stadium musste der Architekt erkennen. Wäre er auf der Baustelle gewesen, so wäre ihm die nicht sachgerechte Ausführung der Leistung aufgefallen und ein Einsturz der Außenfassade hätte vermieden werden können.

Praxis-Hinweis:

In der Praxis zeigt sich, dass Bauherren häufig aus Kostengesichtspunkten vom Leistungsverzeichnis abweichen wollen. Sollte der Bauherr wissentlich und willentlich von dem Leistungsverzeichnis des Architekten abweichen und vorsätzlich anordnen, dass vorgesehene Sicherungen zu unterlassen sind, empfehlen wir dringend, den Bauherren auf die Risiken hinzuweisen und ein entsprechendes Vorgehen abzulehnen. Für den Fall, dass der Bauherr trotz Weigerung des Architekten auf seinem Standpunkt beharren sollte, empfehlen wir dem Architekten, den Vertrag zu kündigen.

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