Haftung für Fachplanerleistungen?

Architektin A wendet sich mit der folgenden Frage an die Architektenkammer: „Wenn ich im Bauantragsverfahren die von einer Fachplanerin oder einem Fachplaner erstellten und von mir unterzeichneten Unterlagen einreiche, stehe ich dann kraft meiner Unterzeichnung auch für deren Richtigkeit ein?“

29. Juli 2022von Dr. Volker Steves

Nein, sofern Ihnen die Fehlerhaftigkeit auf der Grundlage Ihrer eigenen Kenntnisse nicht hätte auffallen müssen. Gem. § 54 II Satz 1 Landesbauordnung NRW (LBauO NRW) haben die Entwurfsverfassenden geeignete Fachplanerinnen und Fachplaner heranzuziehen, wenn sie auf einzelnen Gebieten nicht die erforderliche Sachkunde oder Erfahrung besitzen. Die von der Fachplanerin oder dem Fachplaner erstellten Unterlagen sind gem. § 70 II LBauO NRW von der Entwurfsverfasserin oder dem Entwurfsverfasser gemeinsam mit dem Bauantrag einzureichen und gem. § 70 III LBauO NRW sowohl von der Fachplanerin oder dem Fachplaner als auch von der Entwurfsverfasserin oder dem Entwurfsverfasser zu unterzeichnen.


Für die von ihnen erstellten Unterlagen sind die Fachplanerinnen oder Fachplaner gem. § 70 II Satz 2 LBauO NRW selbst verantwortlich. Die Fachplanerin bzw. der Fachplaner tritt insoweit „an die Stelle des Entwurfsverfassers“ und übernimmt die öffentlich-rechtliche Verantwortung für die Richtigkeit der von ihr oder ihm gefertigten Unterlagen (Gädtke/Wenzel, BauO NRW, 13. Auflage § 54 Rdnr. 29).

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Entwurfsverfassenden den Unterlagen der Fachplanerin oder des Fachplaners blind vertrauen dürfen. Auf der Grundlage der eigenen Kenntnisse muss der Architekt bzw. die Architektin (Entwurfsverfasser*in) die Unterlagen auf Plausibilität und mögliche Ungereimtheiten prüfen.

Darüber hinaus sind die Entwurfsverfassenden gem. § 70 II Satz 3 LBauO NRW für das ordnungsgemäße Ineinandergreifen aller Fachplanungen verantwortlich. Auch diese Regelung stellt einen Niederschlag der umfassenden Koordinierungspflicht der Entwurfsverfassenden dar. Diese führt u. a. dazu, dass die Entwurfsverfasserin oder der Entwurfsverfasser prüfen muss, ob sich aus einer Fachplanerleistung Auswirkungen auf andere Fachplanerleistungen ergeben (Gädtke/Wenzel a.a.O Rdnr. 26 f.).
Praxistipp
Im Bauordnungsrecht verhält es sich mit der Haftung der Entwurfsverfasserin oder des Entwurfsverfassers für Fachplanerleistungen nicht anders als im zivilrechtlichen Kontext: Hier wie dort ist keine fachtechnische Überprüfung der Beiträge der Fachplanerinnen oder Fachplaner erforderlich. Die Integration und Koordination der Fachplanerleistungen bedeutet nicht, dass die Entwurfsverfasserin oder der Entwurfsverfasser die Fachplanerleistungen umfassend prüfen und „als richtig“ freigeben muss (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt a.M., Urt. V. 5.7.2021 – 29 U 110/20, abgedr. In NZBau 2021, 739 f.). Dazu ist sie oder er in der Regel auch gar nicht in der Lage. Wenn doch, dann hätte es der Beauftragung der Fachplanerin oder des Fachplaners gar nicht bedurft.
Der Entwurfsverfasserin oder dem Entwurfsverfasser kann jedoch zugemutet werden, in Anwendung des von einer Architektin oder einem Architekten zu erwartenden Wissens die Fachplanerleistungen auf grobe Fehler und Unstimmigkeiten zu überprüfen. Zeigen sich bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes keine Auffälligkeiten oder Unschlüssigkeiten, dann darf die Entwurfsverfasserin oder der Entwurfsverfasser auf die Richtigkeit der Fachplanerleistung vertrauen.
Objektplanerinnen und Objektplaner sind somit auch beim Umgang mit Fachplanerleistungen gut beraten, sowohl Sorgfalt als auch Augenmaß walten zu lassen.                                                                    

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