Muss der Architekt auf Fehler des Lageplans hinweisen?

01. Januar 2002von Lg, Januar 2002

Architekt A. wendet sich mit folgendem Problem an die Rechtsberatung der Architektenkammer:

"Ich wurde von einem privaten Bauherrn mit der Planung eines Wohnhauses beauftragt. Die Leistungspflicht umfasste laut Vertrag die Leistungsphasen 1 - 4 des § 15 HOAI. Der Bauherr händigte mir einen Lageplan aus, in dem die Grundstücksbreite um 2 m zu groß eingezeichnet war. Während der Bauausführung stellte sich dann heraus, dass das geplante Gebäude wegen der geringeren Grundstücksbreite die Grenzabstände unterschritt. Es musste deshalb verkleinert werden. Mein Bauherr verklagt mich nun wegen des Gebäudeminderwertes auf Schadensersatz."

Die Klage Ihres Bauherrn auf Schadensersatz hat keinen Erfolg. Das OLG Frankfurt hat in einer Entscheidung in einem gleich gelagerten Fall die Schadensersatzansprüche des Bauherrn aus §635 BGB verneint. Nach Auffassung des OLG Frankfurt sieht der Leistungskatalog der Leistungsphasen 1 - 4 des § 15 Abs. 2 HOAI eine Überprüfungspflicht von Lageplänen sowie eine Neuvermessung nicht vor. Zwar kann der Architekt nach § 2 Abs. 3 HOAI verpflichtet sein, dem Bauherrn einen zusätzlichen Vermessungsauftrag gemäß § 96 ff. HOAI zu empfehlen. Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte bestehen, die eine Divergenz zwischen dem vorläufigen nichtamtlichen Lageplan und den tatsächlichen Grundstücksgegebenheiten möglich erscheinen lassen. Für amtliche Lagepläne gilt die Vermutung der objektiven Richtigkeit.
Vermessungsunterlagen, die von Vermessungsingenieuren im Privatauftrag erstellt werden, genießen den öffentlichen Glauben an die Richtigkeit amtlicher Vermessungsunterlagen nicht. Nach allgemeiner Erfahrung weichen sie jedoch nicht öfter von den objektiven Gegebenheiten eines Grundstücks ab als amtliche Vermessungsunterlagen. Sofern also keine Anhaltspunkte erkennbar sind, die Zweifel an der Richtigkeit der Lagepläne aufkommen lassen, verletzt der Architekt seine Sorgfaltspflicht nicht, wenn er keinen zusätzlichen Vermessungsauftrag empfiehlt. (OLG Frankfurt Urt. v. 07.12.2000, Az.: 25 W 55/99)

Praxis-Hinweis

Ob das Urteil des OLG Frankfurt vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des BGH haltbar ist, wonach sich die Pflichten des Architekten durch Vertragsauslegung ergeben müssen und eben nicht aus den Leistungsbildern der HOAI, bleibt abzuwarten. Bei Vertragsabschlüssen seit dem 1. Januar dieses Jahres sollte deshalb dringend beachtet werden, dass nach der Neuregelung des BGB der Architekt beweisen muss, dass ihn kein Verschulden an seiner objektiv fehlerhaften Planung trifft. Auf mögliche Zweifel an der Richtigkeit von Lageplänen sollte deshalb bei Vertragsschluss besonders geachtet werden.

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