Rechtsproblem des Monats: Die Aufklärung des Bauherrn

19. April 2018von 19.04.2018, Dr. Sven Kerkhoff

Was ist zu beachten, wenn der Architekt von anerkannten Regeln abweichen möchte?

Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Kammer:„Für einen öffentlichen Auftraggeber hatte ich die Planungs- und Überwachungsleistungen für den Umbau der Räumlichkeiten einer Großküche übernommen. Der Fußbodenaufbau gestaltete sich kompliziert. Wir haben dafür dann bewusst eine Lösung gewählt, die zwar nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprochen haben mag, aus meiner Sicht aber durchaus geeignet war. Das hat sich auch weitgehend bewahrheitet. Lediglich in kleineren Teilbereichen der mittlerweile fertiggestellten Küche besteht aktuell nun doch ein Feuchtigkeitsproblem. Das dürfte allerdings zu lösen sein. Der Bauherr macht dennoch Schadensersatz geltend. Das kann ja wohl kaum richtig sein. Immerhin hat er dem gewählten Aufbau ausdrücklich zugestimmt und somit genau das bekommen, was er wollte. Kann er mich trotzdem haftbar machen?“ 


Ein Schadensersatzanspruch ist denkbar! Die Planungs- und Überwachungsleistungen des Architekten dienen im Ergebnis dazu, dem Bauherrn ein mangelfreies Bauwerk zu verschaffen. Zwar ist es zutreffend, dass in erster Linie die Vertragsparteien bestimmen, welche Eigenschaften das Werk haben soll. Das entbindet den Architekten aber nicht von der Verpflichtung, den anerkannten Regeln der Technik entsprechend zu planen. Der Wille des Bauherrn wird nämlich regelmäßig dahin gehen, ein Bauwerk zu erhalten, das mindestens diesen Regeln entspricht und zudem die gewünschte Funktionalität gewährleistet. Fehlt es hieran, liegt ein Mangel selbst dann vor, wenn die ausdrücklich vereinbarte Beschaffenheit des Bauwerks erfüllt ist (sog. funktionaler Mangelbegriff, vgl. Koeble, in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 13. Aufl., Einl Rz. 159). Maßgeblich ist dabei der Stand der anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt der Abnahme der Architektenleistung (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2017 – VII ZR 65/14). Will der Architekt von diesen Regeln abweichen, wofür es im Einzelfall vernünftige Gründe geben mag, so muss er den Bauherrn hierauf ausdrücklich hinweisen und zugleich klarmachen, mit welchen Risiken dies verbunden ist. Dazu reicht es nicht aus, den Bauherrn in die Planungsüberlegungen einzubeziehen und seine Zustimmung einzuholen. Vielmehr muss der Architekt, wie das OLG Celle (Urteil vom 15.02.2017 – 7 U 72/16, in: NZBau 2017, 609) ausführt, dem Bauherrn offen mitteilen, dass eine Abweichung von den anerkannten Regeln beabsichtigt ist, und dass man zwar hoffe, mit der vorgeschlagenen Lösung das angestrebte Ergebnis zu erreichen, dass aber Risiken verbleiben. Diese Risiken – hier: Feuchtigkeitsbildung – sind dezidiert zu benennen und, je nach Kenntnisstand des Bauherrn, in ihren Auswirkungen zu beleuchten. Nur wenn der Bauherr in Kenntnis dieses Risiko die Ausführung in dieser Art beauftrage, könne es zu einer Risikoverlagerung kommen, so das Gericht. Dies allerdings wiederum nur, sofern keine bessere Konstruktionsmöglichkeit bestand, mit der die besagten Risiken zu vermeiden gewesen wären.


Praxistipp:

Die Aufklärung des Bauherrn ist in solchen Fällen das A und O. Dabei sollte rechtssicher dokumentiert werden, welche Informationen dem Bauherrn gegeben wurden, und dass er in Kenntnis dieser Umstände bewusst die fragliche Art der Ausführung gewählt hat. Die entsprechenden Informationen müssen umfassend, ggf. laienverständlich und fachlich richtig sein. Im Zweifelsfall empfiehlt sich vorab eine Rücksprache mit dem Haftpflichtversicherer, zumal das bewusste Außerachtlassen der anerkannten Regeln der Technik den Versicherungsschutz in Frage stellen kann. Sofern bessere Alternativen bestehen, seien sie auch kostspieliger oder langwieriger, sind dem Bauherrn diese aufzuzeigen. Letztendlich muss er so auf jenen Wissensstand gehoben werden, den der Architekt selbst besitzt, um eine haftungsbefreiend wirkende Entscheidung treffen zu können – nur dann hat der Auftraggeber im Rechtssinne bekommen, was er gewollt hat.

Teilen via