Vorsicht bei Investorenwechsel
Architektin A wendet sich an die AKNW mit der folgenden Frage: „Ein Bauherr hatte mich anlässlich der Planung und Errichtung eines Einkaufszentrums mit den LPH 1-8 beauftragt. Nach Erlangung der Baugenehmigung teilte er mir per Mail mit, dass er das Grundstück verkauft habe. Weitere Leistungsphasen wurden in den folgenden sechs Monaten nicht mehr abgerufen. Ich habe sein Verhalten als eine freie Auftraggeberkündigung gem. § 648 BGB gewertet und ihm die Schlussrechnung zugeschickt. Nach Erhalt der Schlussrechnung hat sich der Bauherr bei mir gemeldet und bestritten, eine Kündigung erklärt zu haben. Außerdem hat er auch einer sonstigen Aufhebung des Vertragsverhältnisses widersprochen. Wie ist die Rechtslage? Besteht der Planervertrag noch?“
Das Vertragsverhältnis dürfte weder durch die Mitteilung über den Verkauf des Grundstückes noch durch das sonstige Verhalten des Bauherrn und der Architektin beendet worden sein. Zum einen kann der Veräußerung eines Objekts regelmäßig nicht der Erklärungswert beigemessen werden, dass der Bauherr an dem Planervertrag nicht mehr festhalten wolle (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.05.2023 – 22 U 19/22). Auch wenn der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer abruft, kann darin meistens keine Kündigung gesehen werden (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.12.2015 – 5 U 60/15). Schweigen stellt grundsätzlich keine Willenserklärung dar. Es liegt somit „inhaltlich“ schon keine Kündigungserklärung vor.
Zum anderen scheitert die Annahme einer wirksamen Kündigungserklärung an den notwendigen „formalen“ Voraussetzungen. Der Mitteilung über den Verkauf des Grundstückes mangelt es an der erforderlichen Schriftlichkeit. Gem. § 650 q Abs. 1 i.V. m. § 650 h BGB bedarf die Kündigung des Architektenvertrages der Schriftform. Eine Kündigung per Mail genügt diesen Anforderungen nicht. Ein Formmangel ist zwar folgenlos, wenn die andere Partei die formunwirksame Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen (Grüneberg/Retzlaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 82. Auflage 2023, § 650 h, Rz 3). Wenn sich die Parteien einig sind, dass die Ausführung des Werks nicht fortgesetzt werden soll, dann spricht dies für eine einvernehmliche Vertragsaufhebung (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.05.2023 – 22 U 19/22).
Im vorliegenden Fall kann dies allerdings nicht angenommen werden. Der Bauherr hat dem Vorliegen einer Kündigungserklärung widersprochen und auch einer sonstigen Vertragsaufhebung eine Absage erteilt. Er hat somit deutlich gemacht, dass er an der Fortsetzung der Ausführung des Werks interessiert ist.
Praxistipp
Vor allem bei größeren Bauprojekten sind Investorenwechsel keine Seltenheit. Aus den dargestellten Gründen sollten Planende nicht vorschnell vom Vorliegen einer Kündigungserklärung ausgehen, wenn sie vom Bauherrn über den Verkauf an einen anderen Investor informiert werden. Es bietet sich vielmehr an, das Gespräch mit den Beteiligten zu suchen und eine einvernehmliche Klärung und ggf. auch „Neuordnung“ der Vertragsverhältnisse herbeizuführen. Sind die anderen Beteiligten dazu nicht bereit oder führt das Gespräch nicht die notwendige Klarheit herbei, dann sollte der Planer davon ausgehen, dass das Vertragsverhältnis mit dem ersten Investor noch existiert, und seine Bereitschaft signalisieren, für diesen noch Planungsleistungen zu erbringen. Das bloße Stellen einer Schlussrechnung – in der falschen Annahme des Vorliegens einer Kündigungserklärung durch den Bauherrn (= 1. Investor) – kann sich hingegen als Fehler erweisen. Es besteht die Gefahr, dass ein Gericht die Übersendung der Schlussrechnung als eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung bewertet, welche wiederum den Bauherrn zur Kündigung aus wichtigem Grund und zu damit einhergehenden Schadenersatzansprüchen berechtigen könnte. Wenn seitens des Planenden unbedingt eine Beendigung des Vertrages gewünscht ist, sollte stattdessen eher erwogen werden, planerseitig eine Kündigung wegen der Grundstücksveräußerung auszusprechen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Auflage, Rdnr. 1150). Ob die Voraussetzungen für eine solche außerordentliche Kündigung vorliegen, ist jedoch im Einzelfall anwaltlich zu prüfen.
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