Wachsamkeit bei der Bauüberwachung

Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer NRW: „Im Rahmen der Leistungsphase 8 kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten mit Bauherren über den Umfang und die Intensität der Überwachungstätigkeit. Wie ist die Rechtslage?“

19. Juni 2023von Christiane Terhardt

Der Umfang und die Intensität der Bauüberwachungstätigkeit des Architekten bzw. der Architektin hängen von den Anforderungen der Baumaßnahme und den jeweiligen Umständen ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einer jüngeren Entscheidung die Grundsätze der ständigen Rechtsprechung (vgl. u. a. BGH, Urteil vom 10.02.1994 - VII ZR 20/93) zum Umfang und zur Intensität der Bauüberwachung bekräftigt (Urteil vom 19.04.2021 - 29 U 177/19).

In dem vorliegenden Fall hatte der Auftraggeber gegen den Architekten Schadensersatzansprüche aufgrund entstandener Aufwendungen für die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden an Reihenhäusern, bei deren Errichtung der Architekt Architektenleistungen (insbesondere die Bauüberwachung) übernommen hatte, geltend gemacht. Der vom Gericht bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass in der Ausführung zahlreiche Mängel an der Abdichtung und an der verlegten Drainage vorhanden waren.

Das Oberlandesgericht gab dem Auftraggeber Recht. Der Architekt musste für die entstandenen Schäden einstehen. Das Gericht führt in seiner Entscheidung aus, dass für die Erfüllung der Bauüberwachungspflicht u. a. von folgenden Grundsätzen auszugehen ist:

  1. Der bauüberwachende Architekt hat dafür zu sorgen, dass das Bauwerk plangerecht und frei von Mängeln entsteht und zur Vollendung kommt. Er ist verpflichtet, die auszuführenden Arbeiten der Unternehmen in angemessener und zumutbarer Weise zu überwachen und sich durch Kontrollen zu vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden.
  2. Zwar muss der bauüberwachende Architekt sich nicht ständig auf der Baustelle aufhalten. Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein höheres Mängelrisiko aufweisen, ist er aber zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet.
  3. Zu den überwachungsintensiven Bauabschnitten gehören im Hinblick auf ihre Schadensträchtigkeit und die gesteigerten Anforderungen an Baumaterial und Bauausführung insbesondere Abdichtungs- und Isolierungsarbeiten sowie die Verlegung einer Drainage.
  4. Zeigt sich ein schwerwiegender Mangel am Bauwerk, spricht ein Anscheinsbeweis für eine Verletzung der Bauüberwachungspflicht. In einem solchen Fall ist es Sache des Architekten, den Beweis des ersten Anscheins dadurch auszuräumen, dass er seinerseits darlegt, was er an Überwachungsmaßnahmen geleistet hat.

Praxis-Hinweis

Die Entscheidung zeigt, dass die Intensität und der Umfang der Bauüberwachungstätigkeit von der konkreten Baumaßnahme und den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängen. Der Rechtsprechung der Gerichte kann entnommen werden, dass der Architekt desto enger überwachen muss, je wichtiger bzw. gefahrgeneigter die jeweiligen Arbeiten sind. Vor allem aus Beweiszwecken ist daher in der bautäglichen Praxis bei der Durchführung der Bauüberwachung dringend anzuraten, ein Bautagebuch zu führen. Das Bautagebuch soll der Dokumentation des Bauablaufs dienen und alle wesentlichen Vorgänge bei der Bauwerkserrichtung aufnehmen, die im Hinblick auf spätere Gewährleistungsprozesse von Bedeutung sein können. Durch das Führen eines Bautagebuches kann sich der Architekt, der von seinem Bauherrn wegen eines Überwachungsverschuldens in Anspruch genommen wird, entlasten.

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