Die Zukunft des Sportstättenbaus

Die Mitgliederzahlen der traditionellen Fußball- und Leichtathletikvereine schrumpfen seit Jahren. Wie also können die zahlreichen Sportanlagen in NRW, die zumeist aus den 1960er und -70er Jahren stammen und oftmals dringend saniert werden müssen, überhaupt zukunftsfähig aufgestellt werden? - Diese Frage stand im Mittelpunkt der Fachtagung „Sport braucht Räume - Sportstätten entwickeln und planen“, zu der die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 25. November ins Haus der Architekten eingeladen hatte.

13. Dezember 2014von Christof Rose/Herbert Lintz

„Mit einer solchen Resonanz hatten wir im Vorfeld nicht gerechnet“, räumte Klaus Brüggenolte, Vizepräsident der Architektenkammer NRW, in seiner Begrüßung vor 150 interessierten Teilnehmern im Haus der Architekten ein. Allerdings hob Brüggenolte auch hervor, dass in vielen Kommunen gegenwärtig intensiv über den Umgang mit Fußballplätzen und kommunalen Sportanlagen diskutiert werde, weil „ein geändertes Sportverhalten bei gleichzeitigem Sanierungsbedarf zu einer grundlegenden Neujustierung des öffentlichen Sportstättenbaus zwingt“.

Vereinssport als wichtiger gesellschaftlicher Faktor der Jugendarbeit

Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Bonn beziffert den Investitionsbedarf in diesem Bereich mit 40 Milliarden Euro bundesweit. „Der Sportstättenbau kann aktuell beides sein: Engpass und Impulsgeber, je nachdem, wie wir gemeinsam als Gesellschaft die Weichen stellen“, erklärte Peter Ott vom Bundesinstitut, welches die Tagung mitveranstaltete.
Dritter Partner war der Landessportbund Nordrhein-Westfalen, dem das Diskussionsthema „eine Herzensangelegenheit“ sei, so LSB-NRW-Präsident Walter Schneeloch. Er erläuterte, dass durch den zunehmenden Ganztagsunterricht an Schulen immer weniger Sporthallen zu immer weniger Terminen für die Sportvereine zur Verfügung stünden. „Der Vereinssport bleibt ein ganz wichtiger gesellschaftlicher Faktor, der insbesondere in der Jugend- und der Integrationsarbeit großartiges leistet“, unterstrich Schneeloch.

Jung, männlich im Verein
Die gesellschaftliche Relevanz des Sports machte auch Dr. Jörg Wetterich vom Institut für Kooperative Planung und Sportentwicklung in Stuttgart deutlich. Nach seinen Untersuchungen halten sich 70 Prozent der Deutschen für regelmäßige Freizeitsportler - „wobei mancher auch zügiges Spazierengehen darunter fasst“, bemerkte der Sportforscher. Der Anteil der leistungsorientierten Hobbysportler liegt in Deutschland demnach bei etwa zehn Prozent. Insgesamt dominieren dabei allerdings Sportarten, die nicht an Hallen und Plätze gebunden sind: Radfahren (60 %), Laufsport (43 %), Schwimmen und Wandern. Über die Hälfte der Sportler trainiert in der Natur, in Parks, auf der Straße oder zu Hause. Nur 3 % des regelmäßigen Sports wird auf Sportanlagen ausgeübt - überwiegend von männlichen Jugendlichen und jungen Männern bis 26 Jahre.

Neben Wettkampft auch immer mehr Gesundheits- und Wellnesskurse
Das aber ändert sich gegenwärtig: Der demografische Wandel und ein sich wandelndes Freizeitverhalten führen dazu, dass immer weniger Vereinssport stattfindet, dass mehr Frauen und mehr Ältere sich sportlich betätigen. „Und der Gesundheits- und Wellness-Aspekt rückt deutlich vor gegenüber dem Leistungs- und Wettkampfgedanken“, bilanzierte Jörg Wetterich. Was das alles für den Sportstättenbau in der Planungspraxis bedeutet, war Gegenstand der Fachvorträge aus unterschiedlichen Perspektiven.

Barrierefreie Sportanlagen
Architekt Michael Palmen vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft und Šárka Voříšková von der TU Dresden stellten die besonderen Anforderungen an barrierefreie Sportstätten vor. Der Anspruch von Behindertensportarten, aber auch die Erfordernisse für behinderte Zuschauer gehen vielfach über das hinaus, was die DIN 18040-1 für öffentlich zugängliche Gebäude verlangt. Dies ist nach Einschätzung der Dresdener Forscherin durch den Inklusionsgedanken gerechtfertigt, zumal „der Sport schon vielen geholfen hat, nach einer Behinderung weiter am Leben teilzunehmen!“ So ergeben sich beispielsweise für Sporthallen, in denen Rollstuhlbasketball gespielt wird, wesentliche Anforderungen aus den Abmessungen des Sportrollstuhls, die über die des Standardrollstuhls hinausgehen.

Sport im Quartier
Auch wenn sich die bisherigen Grundlagen und Planungsprämissen verändern, „bleibt das Gliederungsmuster der Stadt weiterhin das Quartier!“, meinte der Stadtplaner und bisherige Bochumer Stadtbaurat Dr. Ernst Kratzsch. Die Städte müssen sich in ihren sportbezogenen Planungen und Entscheidungen mit dem öffentlichen Raum, den eigenen Sportanlagen und denen der Vereine, den städtischen Sonderanlagen wie Skaterflächen, aber auch mit den städtischen Großanlagen wie Fußballstadien auseinandersetzen. „Dabei muss sich der Planungsprozess vor allem Zeit für Partizipationsverfahren nehmen“, riet Kratzsch. Sportangebote müssten erreichbar sein, auch um den Preis der Emissionskonflikte mit der Nachbarschaft.

Finanzierungshilfen

Diesen Gedanken griff Detlef Berthold, Förderspezialist im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW, mit seiner Forderung auf, dass „der Sport nicht an die Peripherie sondern in die Stadt gehört, damit man wohnortnah seinem Sportbedürfnis nachkommen kann“. Ergänzend mahnte LSB-NRW-Präsident Walter Schneeloch an, über die Sportanlagenlärmschutzverordnung Geräuschemissionen aus Sport angemessen zu privilegieren.

Immerhin fördert NRW über eine Pauschalzuweisung an die Kommunen den Bau und die Modernisierung von Sportstätten jährlich mit 50 Millionen Euro. Oftmals ungenutzt bleibt die Möglichkeit der Kommunen, diese Mittel auch an die Vereine weiterleiten zu können, bedauerte Berthold. Um den Sportvereinen für Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen den Zugang zum Kreditmarkt zu sichern, besteht das Bürgschaftsprogramme der NRW.BANK, über welches seit 2008 ein Investitionsvolumen von 160 Mio. € generiert wurde.

Regeloffene und wettkampfgerechte Sportplätze
Fußball ist immer noch die Sportart mit dem höchsten Organisationsgrad. Daher wird von den Kommunen die Modernisierung von Großspielfeldern favorisiert. Der Straelener Landschaftsarchitekt Markus Illgas berichtete über die Sanierung zweier konventioneller Sportanlagen, deren Mittelpunkt weiterhin das wettkampfgerechte Spielfeld ist. Die klassische, nicht mehr genutzte 400 m-Bahn kann durch eine 100 m Kurzbahn mit anschließender Weitsprunggrube ersetzt werden. Frei werdende Flächen können für regeloffene Angebote wie Streetball oder geschwungene Rundlaufbahnen ersetzt werden. Klar war für den Sachverständigen für Sportanlagen aber auch: „Eine gut geplante Anlage kann nur dann funktionieren, wenn bereits in der Planung die Kosten für die spätere Unterhaltung beachtet werden. Und die gibt es nicht zum Nulltarif!“

Analyse und Partizipation als Konzept

Überzeugende Praxisbeispiele des Büros SpOrt Concept (Stuttgart/Reutlingen) zeigten die Architektin Catrin Dietz mit einer Dreifeld-Sporthalle in Heubach und ihr Büropartner Architekt Thorismuth Gaiser mit dem Sportvereinszentrum des Sportclubs Staig. „Besonderen Wert legen wir bei der Zusammenarbeit mit Vereinen auf eine umfassende Analyse des Bedarfs und der finanziellen Möglichkeiten“, beschrieben sie den Projektprozess vor dem eigentlichen Planungsbeginn. Die umfassende Planungsvorbereitung und das Einbeziehen von Betroffenen und Nutzern sind unerlässlich, um möglichen Hindernissen frühzeitig auszuweichen. Multifunktionale Sporträume – von Peter Ott als „Sportmaschinen“ postulierte Mehrzweckhallen - bieten vielfältige Nutzungen für Schulen und Vereine; und damit die Chance, „sie von 7 bis 23 Uhr und das sieben Tage in der Woche“ zu bespielen und besonders wirtschaftlich zu betreiben.

Schnecken suchen Haus

Eine feste Adresse suchten die Lüdenscheider „Turbo-Schnecken“ als in wenigen Jahren schnell gewachsener Breitensportverein. Nach langem Bemühen wurde mit dem denkmalgeschützten Gebäude einer ehemaligen Maschinenfabrik das geeignete „Schneckenhaus“ gefunden. Die Finanzierung konnte mit einem erheblichen NRW-Förderanteil und Vereinsmitteln gestemmt werden. Die mehrjährige Vorbereitung und Umbauzeit „führten zu hohen Belastungen für die ehrenamtlich Tätigen“, fassten Brigitte Klein und Harald Bräcker aus der Vereinsspitze ihre Erfahrungen zusammen. „Und dennoch würden wir es wieder tun! Besuchen Sie Veranstaltungen wie diese, besuchen Sie uns und machen Sie sich schlau“, ermutigten sie die Zuhörer aus Vereinen in vergleichbaren Situationen. „Überall fanden wir Schächte und Gruben, Teile des Daches waren nicht in die Giebelwände eingebunden“, berichtete der mit dem Umbau beauftragte Architekt Gunnar Ramsfjell (HWR Architekten, Dortmund) als Beispiel für viele weitere unangenehme Überraschungen, die sich bei solch komplexen Umbaumaßnahmen ergeben können. Nach Jahren des Leerstandes mit Verwahrlosung und Vandalismus entstand in Abstimmung mit der Denkmalbehörde ein hochwertiges, multifunktionales Sport- und Vereinszentrum, das die historische Bausubstanz respektiert - und damit ein Zeugnis der Industrie- und Baukultur in NRW fortbestehen lässt.

Die Vorträge finden Sie hier zum Download

<link file:18182 _blank download im sportverhalten und anforderungen an die>Entwicklungen im Sportverhalten und Anforderungen an die Sportinfrastruktur - Dr. Jörg Wetterich, Institut für Kooperative Planung und Sportentwicklung, Stuttgart

Barrierefreie Sportstätten - Sarka Voriskova, Technische Universität Dresden; Michael Palmen, Architekt, Bundesinstitut für Sportwissenschaft Bonn

<link file:18191 _blank download in der stadtplanung>Sportstätten in der Stadtplanung - Dr. Ernst Kratzsch, Stadtplaner, Stadtbaurat Bochum

<link file:18190 _blank download drei säulen der sportstättenförderung in>Die drei Säulen der Sportstättenförderung in NRW - Detlef Berthold, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW

<link file:18188 _blank download regeloffen und wettkampfgerecht>Sportplätze - regeloffen und wettkampfgerecht - <link file:18189 _blank download>Sportplätze - Markus Illgas, Landschaftsarchitekt

<link file:18187 _blank download sporträume bericht aus der> Neue Sporträume - Bericht aus der Praxis - Cathrin Dietz, Architektin, Sport concept, Stuttgart

<link file:18184 _blank download und>Breitensport und mehr - <link file:18194 _blank download eines>Umnutzung eines Denkmals - Brigitte Klein, Vorstand Turbo-Schnecken Lüdenscheid e.V.

<link file:18193 _blank download der maschinenfabrik hesse jäger zum vereins- und sportzentrum>Umnutzung der Maschinenfabrik Hesse & Jäger zum Vereins- und Sportzentrum - Gunnar Ramsfjell, Architekt, HWR Architekten Dortmund

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