Helmut Hentrich (1905-2001) und die Ruhr Universität Bochum
Der Werdegang des Architekten Helmut Hentrich eröffnete einen doppelten Erfahrungshorizont: die stilistische Prägung durch die Moderne in Wien und Berlin und für die organisatorische Schulung die Erfahrungen bei SOM in New York und dann, ab 1933 als selbständiger Architekt in Düsseldorf, im Arbeitsstab von Albert Speer. 1952 begann mit dem "Drahthaus" in Düsseldorf der Weg des Büros Hentrich Petschnigg & Partner (HPP) zum Spezialisten für modernen Bürohausbau, der sich mit amerikanischen Standards messen lassen konnte. Es folgten das "Dreischeiben-Haus" (1956-60) und weitere Aufträge für Stahl- und Chemiekonzerne, Verbände und Banken in Deutschland und Südafrika. - Mit diesem Beitrag beginnen wir eine Retrospektive "Architekten in NRW", in der wir in loser Folge Kolleginnen und Kollegen vorstellen, deren Einfluss auf die Architektur in NRW auch nach ihrem Tod ablesbar bleibt.
Einen wesentlichen Beitrag leistete HPP zum rationalen, industrialisierten Bauen, das, so ein gängiges Klischee, seinen wahrhaft in Beton gegossenen Ausdruck in dem größten Universitätsneubau Deutschlands, der Ruhr Universität Bochum, gefunden habe. Ungeliebt von Anfang an wurde dieses bemerkenswerte Stück Nachkriegsarchitektur über Jahrzehnte baulich vernachlässigt. Planungsziel für die 1962 gegründete Volluniversität war ein Campus etwa 5 km südlich der Stadt auf abschüssigem Gelände am Rande des Lottetales. Im Wettbewerb überzeugte der Entwurf von HPP durch die innere Organisation basierend auf zwei Achsen, einer Hauptachse in Nord-Süd-Richtung quer zum Gelände als "Forum" mit der Aufreihung der Gemeinschaftsbauten und einer Querachse parallel zum Geländeverlauf zwischen den Faktultätsgebäuden.
Statt einer lockeren Verteilung bevorzugte das Staatshochbauamt später die heutige verdichtete Bauweise. Um Fahrverkehr und Fußgängerwege zu trennen, entstand unter der Hauptachse das damals größte Parkhaus Deutschlands, ein etwas finsteres Entree. Die betonierte Ebene darüber dient im Gesamtgelände der fußläufigen Verbindung mit einem Geflecht von Treppen, Terrassen, grünen Innenhöfen und Wasserbecken. Darüber ragen die Hochbauten auf: das Studienhaus, die Forumsbauten und die je drei bzw. vier Riegel der Institutsgebäude. Im Rahmen der Vereinbarung zur Typisierung und Vorfertigung waren für die östlichen Bereiche Eller, Moser, Walter zuständig, die Bibliothek entwarf Werner Lehmann. Die westlichen Bereiche, die Mensa (1968-70) und das Auditorium Maximum (1969-74), gehen auf Entwürfe von HPP zurück. Heute beherbergt die RUB in unverändertem Bauvolumen statt maximal 12.500 ca. 36.500 Studierende.
Das Audimax folgt dem Bild der frei in den Himmel aufragenden "Stadtkrone". Geplant war ein schiefrundes achssymmetrisches Amphitheater unter einem Verwindungsflächen-Tragwerk in Leichtbeton mit radial angeordneten Wellen auf einem Unterbau aus nach Norden höher auskragenden, schräg gestellten Betonträgern. Trotz Verlust an ästhetischer Substanz musste die ambitionierte Dachform einer billigeren Stahlkonstruktion weichen. Als letzter Baukomplex im Süden des Forums nutzt die Mensa den Geländeabfall für vier Geschosse übereinander. Verglaste Verbindungsgänge zwischen Auditorium und Cafeteria auf der Fußgängerebene sind jetzt geschlossen und das Foyer mit Verkaufsbuden vollgestopft. Darunter staffeln sich die Mensa-Ebenen bis zum Park. Großflächige Verglasung öffnet den Blick nach Süden. Bei der nun anstehenden Grundsanierung, mit deren Vorplanung wiederum HPP beauftragt wurde, soll trotz innerer Neuordnung das durch die Betonelemente der Dachträger, Wasserrinnen und Sonnenschutzlamellen geprägte charakteristische Gesamtbild erhalten bleiben.
Ausgewählte Objekte von H. Hentrich und HPP auf baukunst-nrw:
Malkasten in Düsseldorf
HDI-Gerling-Hochhaus in Köln
Dreischeibenhaus in Düsseldorf
Ruhr-Universität Bochum
Victoria Versicherung in Düsseldorf
Stadtwerke Lüdenscheid
Arena auf Schalke Gelsenkirchen
BayArena Bayer 04 Leverkusen
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