Kommunales Baulandmanagement: Aktive Stadtentwicklung durch Liegenschaftspolitik

Keine Stadtentwicklung ohne Grundstücke! Verfügbarer (preiswerter) Grund und Boden ist und bleibt eine Voraussetzung für die Entwicklung von Wohnbauflächen und Wohnungen, sei für das selbstgenutzte Wohneigentum oder für den (sozialen) Mietwohnungsbau. Wohnungsmarktprobleme sind in vielen Fällen die Folge eines nicht funktionsgerechten Baulandmarktes. - Der zweite „Wohnungsbautag NRW“ be-fasste sich im Herbst 2014 intensiv mit der Frage des Bodenmanagements. In diesem Gastbeitrag untersucht Dr. Egbert Dransfeld vom Institut für Bodenmanagement in Dortmund, welche Möglichkeiten der Stadtentwicklung sich für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen aus einem gezielten Baulandmanagement ergeben.

15. Januar 2015von Dr. Egbert Dransfeld

1. Bodenpolitischer Befund

Hohe und stark steigende Wohn- und Hauspreise sowie Mieten sind meist direkte Folge hoher und steigender Bodenpreise; der Baulandmarkt ist ein dem Wohnungsmarkt vorgelagerter Markt. Der Bodenmarkt ist aber in einem ganz erheblichen Ausmaß durch bodenpolitische Aktivitäten der Städte und Gemeinden beeinflusst – und, was wichtiger ist, aktiv beeinflussbar. Die kommunale Bauleitplanung und alle sich daran anschließenden gemeindlichen Bemühungen zur Unterstützung der Implementierung der städtebaulichen Pläne präjudizieren nicht nur Bodennutzung, sondern damit auch die gesamte Angebotsseite am Baulandmarkt. Insofern besteht eine erhebliche Mitverantwortung bei den Städten und Gemeinden für einen funktionierenden Baulandmarkt. Hiervon hängt sehr viel ab, insbesondere ob es überhaupt zur Implementierung städtebaulicher Planung kommen kann, ob dies an den eigentlich geeigneten Standorten passiert (oder wie häufig nicht), ob die unterschiedlichen Nachfragen auch bedarfsgerecht ihr Angebot zur richtigen Zeit und zu einem annehmbaren Preis finden, und ob alle Nutzergruppen am Wohnungsmarkt die richtigen Grundstücke erhalten.

Im Übrigen: Städtebauliche Planung trägt auch dazu bei, Grund und Boden erheblich in Wert zu setzen, insbesondere dann, wenn Bauland erstmalig entwickelt werden soll. Planungsbedingte Bodenwertsteigerungen von mehreren tausend Prozent sind hierbei nicht unüblich. Sie stellen für die (planungs-)begünstigten Eigentümer „leistungslose“ Gewinne dar und fördern so Bodenspekulationen. Hier stellt sich sehr grundsätzlich die Frage nach der verteilungspolitischen Gerechtigkeit.

Folgewirkungen sind: Ein (künstlich) erzeugter Baulandmangel, ein durch mangelnde Baulandmobilisierung erst (mit) entstehender hoher Flächenverbrauch, ein tendenziell hohes Boden bzw. Mietpreisniveau (keine Boden-/Mietpreisdämpfung) sowie eine deutliche Belastung der öffentlichen Haushalte, indem keine oder nur geringe Bodenwertsteigerungen zugunsten der öffentlichen Hand zur Refinanzierung der gesamten Baulandproduktionskosten (einschließlich der Folgekosten) genutzt werden können.

Im Kern liegt das Problem darin begründet, dass - bis heute - in Deutschland ein Spagat zwischen einem sehr starken räumlichen Steuerungsanspruch und einer den Alt-und Zwischeneigentümern möglichst viel Freiheiten lassenden Bodenpolitik versucht wird. Was können Städte- und Gemeinden nun konkret tun?

2. Instrumente eines effektives Baulandmanagements

Stadtentwicklungspolitisch von großer Bedeutung ist eine langfristig orientierte kommunale Bauland- und Liegenschaftspolitik, die auch in der Lage ist, zukünftige Handlungsoptionen für eine Stadtentwicklung durch die Kommunen zu ermöglichen. Dieses Verständnis von Stadtentwicklungs- und Liegenschaftspolitik stellt in der Praxis einen Gegensatz zu einer vorwiegend an kurzfristiger Haushaltspolitik orientierten Liegenschaftspolitik dar.  In der kommunalen Praxis lassen sich verschiedene Ansätze und Instrumente beobachten, die diesem Ziel dienen:

a) Das Modell langfristiger Bodenvorratspolitik: Durch einen langfristig angelegten kontinuierlichen Ankauf von noch unbeplanten Flächen verschaffen sich die Kommunen ein großzügiges Portfolio an Liegenschaften, das die Gemeinden jederzeit in die Lage versetzt, flexibel auf die sich verändernden Baulandnachfragen reagieren zu können. Die damit verbundenen Vorteile sind eindeutig:

  • Die Grundstücke sind in einer Hand (langwierige Bodenordnungsverfahren entfallen).
  • Planimplementierung ist gewährleistet.
  • Bodenspekulation ist nicht möglich.
  • Tauschgeschäfte werden möglich.
  • Planungsbedingte Bodenwertsteigerungen verbleiben (größtenteils) bei der Gemeinde; Baulandproduktionskosten können dadurch gut refinanziert werden – ohne den allgemeinen Haushalt dadurch zu belasten.
  • Die Kommunen haben erheblichen Einfluss auf das Bodenpreisniveau und seine Entwicklung.
  • In den Vergabeverfahren muss nicht nach Höchstpreisen veräußert werden.
  • Im Rahmen der privatrechtlichen Vergabe der baureifen Grundstücke können wohnungspolitische Ziele optimal umgesetzt werden (z.B. Förderung des sozialen Wohnungsbaues, Vergabe an bestimmte Einkommens- bzw. Haushaltsgruppen, etc.).

Erst durch den Zwischenerwerb können im Übrigen durch die Kommunen Erbbaurechte bestellt und dadurch sogar sehr langfristige Optionen für die Stadtentwicklung generiert und gesichert werden. Die (spätere) Vergabe von Erbbaurechten - statt des schlichten Abverkaufes - wird zu wenig in Betracht gezogen. Die langfristig wirkenden fiskalischen Vorteile von Erbbaurechtslösungen sind zu wenig bekannt. Die Einführung der doppelten Haushaltsführung („Doppik“) ermöglicht hierbei einen neuen Zugang auf das Erbbaurecht. Langfristig „rechnen“ sich kommunale Erbbaugrundstücke.

Die Vorteile langfristiger Bodenpolitik zeigen sich in der kommunalen Praxis. Städte und Gemeinden wie Hamburg, Münster Köln, Ulm und Bocholt verfolgen dieses Modell zum Teil seit Jahrzehnten. Das Vorgehen hat dort Tradition, wird immer gleich angewendet, ist transparent und gegenüber den Eigentümern gleichbehandelnd - wichtig für die Akzeptanz des Modells.

Besonders erfolgreich ist Bodenvorratspolitik, wenn sie als kommunaler revolvierender Bodenfonds angelegt ist. Einnahmen und Ausgaben sind und bleiben zweckgebunden; zweckfremde Verwendungen werden vermieden. Nachhaltiges Wirtschaften – ohne dabei Verluste auf die Allgemeinheit abwälzen zu müssen – ist damit möglich. Es ist dabei nicht entscheidend, ob operativ ein „Sondervermögen“ im Haushalt oder eine vollständige „Herauslagerung aus dem Haushalt“ durch die Gründung einer kommunal dominierten Eigengesellschaft oder eines Eigenbetriebes gebildet bzw. vorgenommen wird. Für Kommunen, die der Haushaltssicherung unterliegen, empfiehlt sich gleichwohl die „Herauslagerung“, weil so eine eigene Rechtsträgerschaft entsteht und eine damit verbundene unabhängigere Kreditfähigkeit.

Städtebauliche Verträge nach § 11 BauGB

b) Städtebauliche Verträge nach § 11 BauGB generell und - im Speziellen - verbunden mit einem Modellansatz einer freiwilligen Umlegung sind gegenüber einer langfristig angelegten Bodenvorratspolitik diesbezüglich zunächst nur suboptimal: Die engen rechtlichen Bindungen bzw. Beschränkungen (Kausalitätsgebot, Koppelungsverbot, Angemessenheitsgebot) eignen sich operativ nur eingeschränkt für eine an langfristiger Optionssicherung ausgerichteten Stadtentwicklungspolitik. Gleichwohl haben städtebauliche Verträge große Bedeutung für eher kurzfristige bzw. projektbezogene Vorhaben und können den gemeindlichen Baulandmarkt sehr effektiv beeinflussen - insbesondere, wenn die Städte und Gemeinden zusätzlich noch eigene „Grundsatzbeschlüsse zum Baulandmanagement“ gefasst und damit eine eigenständige Baulandstrategie entwickelt haben. Dies zeigen nicht nur die Großstädte wie München und Stuttgart.

Bodenpolitische Grundsatzbeschlüsse

c) Bodenpolitische Grundsatzbeschlüsse bzw. Baulandstrategien („Baulandbeschlüsse“), die es zwischenzeitlich vielfach in Deutschland gibt, sind meist die notwendige Grundvoraussetzung, um zum Beispiel eine langfristige Baulandpolitik umsetzen zu können. Sie sind „Bodenreform von unten“. Eigentlich sind sie das „Schlüsselinstrument“ einer modernen kommunalen Bauland- und Liegenschaftspolitik. Sie sind deutlich auf Langfristigkeit der kommunalen Bodenpolitik angelegt. Erst mit der Festlegung von grundsätzlichen Eckpunkten zur Ausgestaltung einer zukünftigen kommunalen Bodenpolitik – im Sinne einer kommunalen Selbstverpflichtung - können Liegenschafts- und Stadtplanungsämter losgelöst vom politischen Wahlzyklus langfristig agieren; sie bekommen „den Rücken frei“, weil die bodenpolitische Ausrichtung einer Kommune einmal und zudem grundsätzlich (politisch) legitimiert wurde.

Baulandbeschlüsse haben ein ausgesprochen hohes Innovationspotenzial, da sie sehr effektiv dazu beitragen, Stadtplanung und Planimplementierung zusammenzuführen (hohe allokative Zielerreichung) und den Kommunen zudem erhebliche bodenwirtschaftliche Vorteile zur Refinanzierung ihrer Baulandproduktions- und Folgekosten verschaffen. Die grundsätzliche Einleitung von Verfahren zur Aufstellung verbindlicher Bauleitpläne (Bebauungspläne) wird dabei in der Regel von der Einhaltung der nach dem Baulandbeschluss einmal festgelegten Grundsätze abhängig gemacht. Dies kann auch die Verpflichtung zur Realisierung eines bestimmten Quorums an förderfähigen Sozialwohnungen bedeuten.

Die hohe kommunal praktische Relevanz kommunaler Baulandbeschlüsse wurde zwischenzeitlich durch wissenschaftliche Arbeiten bestätigt. Auch der Deutsche Städtetag weist in seinem aktuellen Positionspapier „Strategisches Flächenmanagement und Bodenwirtschaft“ auf die besondere kommunalpraktische Bedeutung von Grundsatzbeschlüssen hin.

Die Erfahrungen und Kenntnisse zu Grundsatzbeschlüssen sind aber immer noch nicht breit genug vorhanden oder sind zum Teil auch veraltet. Grundsatzbeschlüsse müssen die individuellen, lokalen Rahmenbedingungen berücksichtigen; es kann insofern nicht den einen Grundsatzbeschluss geben. Die Vielfalt muss allein deshalb schon „naturbedingt“ groß sein.

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM)

c) Die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) gemäß § 165 ff. BauGB, die vom Grundsatz des hoheitlichen Zwischenerwerbs ausgeht, ist rechtlich an „strenge“ Anwendungsvoraussetzungen geknüpft. Der Nachweis eines erhöhten Bedarfs ist in vielen Fällen nur noch schwer rechtssicher zu führen. Die SEM ist zwar durch vielfältige Rechtsprechung in der Ausgestaltung eindeutiger und damit rechtssicherer geworden, hat aber auch gleichzeitig an Bedeutung in der Praxis verloren, weil die Anwendungsbreite stark eingeschränkt wurde. Gleichwohl muss bedacht werden, dass die SEM schon immer (nur) als eine Art „Sonderrecht“ (Sonderweg) ausgestaltet war. In manchen Fällen, z.B. wenn es aus topografischen oder situationsbedingten Gründen praktisch keine Standortalternativen gibt, ist die SEM zweifelsohne weiterhin das richtige Instrument an der richtigen Stelle. Auch für Konversions- und Brachflächen hat sie weiterhin große Bedeutung.

3. Fazit

Erfolgreiches kommunales Baulandmanagement setzt voraus, dass auch ausreichend Bauland ausgewiesen ist und wird. Der derzeit in einigen Städten zu beobachtende Wohnungsmangel ist mithin Ergebnis eines akuten Baulandmangels. Dieser erklärt sich (auch) durch einen zwischenzeitlich zunehmend sichtbaren stadtentwicklungspolitischen Zielkonflikt: Gewollte deutliche Reduzierung der Flächeninanspruchnahme („30-ha-Ziel“) mit in der Folge politisch legitimierter Flächenverknappung auf der einen Seite und gleichzeitig verstärkte Wohnbaulandnachfrage auf der anderen Seite, die aber quantitativ und qualitativ nicht durch Bestandsentwicklungen allein befriedigt werden kann. Stadtplanungs- und Liegenschaftspolitik müssen in den Kommunen enger verzahnt werden; dies wirft dann auch notwendige verwaltungsorganisatorische Fragen auf.

Städte und Gemeinden müssen zur Stützung einer bedarfsgerechten Wohnraumversorgung insbesondere eine aktive, eigenständige Bauland- und Liegenschaftspolitik betreiben. Wohnungsbaupolitik fängt mit Bauland- und Liegenschaftspolitik an – sie ist eine Grundvoraussetzung für einen sozialgerechten Zugang zum Wohnungsmarkt. Die dafür nötigen Instrumente sind eigentlich vorhanden. Es fehlt eher an der Einsicht, Boden- und Liegenschaftspolitik als wichtiges, ganz „normales“ Alltagspolitikfeld (wie Schul- oder Verkehrspolitik) anzusehen (vgl. Dransfeld, E; Kiehle, W.: a.a.O.). Wenn dies gelänge, wäre schon viel erreicht! All das hilft dann auch, nachhaltige, gute Baukultur zu unterstützen!

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