Konjunktur und Arbeitsbedingungen

Wie wirkt sich die gute Konjunktur auf die Arbeit der angestellten Architektinnen und Architekten aus? Wie entwickeln sich die Rahmenbedingungen mit Blick auf Arbeitsbelastung und -zeit, auf Verdienst und Vereinbarkeit von Arbeit und Familie? - Diese Fragen stellte die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ihren in Architektur- und Planungsbüros angestellten Mitgliedern im Rahmen der jüngsten bundesweiten Befragung der Architektenkammern der Länder.

16. August 2017von Nicole Reiß / Reiß und Hommerich GmbH

Die Erhebung wurde vom 2. Mai bis zum 9. Juni 2017 als Online-Befragung durchgeführt. Es beteiligten sich 3.777 Mitglieder der AKNW, darunter 847 Angestellte in Architektur- und Planungsbüros. Auf ihre Antworten beziehen sich die folgenden Ausführungen.

1. Auswirkungen der baukonjunkturellen Entwicklung auf die beruflichen Rahmenbedingungen im Büro

Der Aufschwung der Baukonjunktur ist auch in den Architektur- und Planungsbüros angekommen. 81% der Angestellten in Architektur- und Planungsbüros, denen eine Einschätzung der Auftragssituation ihres Arbeitgebers möglich war, geben an, die positive Entwicklung der Baukonjunktur seit Anfang 2016 habe zu einer verbesserten Auftragslage des Büros geführt, in dem sie tätig sind. Insbesondere große Büros profitieren vom baukonjunkturellen Aufschwung: Rund 90 % der Angestellten in Büros mit 20 und mehr Beschäftigten berichten von einer verbesserten Auftragssituation. Der Vergleichsanteil für Angestellte in kleinen Büros (bis zu 4 Beschäftigte) fällt mit 67 % deutlich geringer aus.

Arbeitsbedingungen der angestellten Kammermitglieder

Wenig überraschend, führt die verbesserte Auftragslage der Architektur- und Planungsbüros zu einer erhöhten Arbeitsbelastung der in diesen Büros tätigen Arbeitnehmer: 63 % der angestellten Kammermitglieder geben an, durch die verbesserte Auftragslage des Büros sei die subjektiv empfundene Arbeitsbelastung gestiegen. 42 % berichten von einem Anstieg der Zahl wöchentlicher Überstunden, 29 % geben an, die Zahl der beruflichen Anrufe oder E-Mails während der Freizeit oder des Urlaubs sei gestiegen. 15 % arbeiten häufiger am Wochenende als früher, und 13 % nehmen weniger Urlaub als vor dem Jahr 2016.
Doch nicht nur die (faktische wie auch subjektiv empfundene) Arbeitsbelastung ist bei einem großen Teil der Angestellten gestiegen: Fast die Hälfte (44 %) der Befragten geben an, ihr Gehalt sei seit dem Anstieg der Baukonjunktur Anfang 2016 angehoben worden. Im Vergleich am wenigsten profitieren die Angestellten in kleinen Büros von dem Aufschwung des letzten Jahres: Hier wird häufiger als in größeren Büros ein Anstieg der subjektiv empfundenen Arbeitsbelastung berichtet. Gleichzeitig wurde bei Angestellten in kleinen Büros das Gehalt deutlich seltener angepasst.

Befristung von Beschäftigungsverhältnissen

14 % der Angestellten in den Architektur- und Planungsbüros, die vom baukonjunkturellen Aufschwung profitieren, hatten Anfang 2016 einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Rund ein Fünftel dieser befristeten Arbeitsverhältnisse (22 %) wurde in Folge der positiven baukonjunkturellen Entwicklung und der damit einhergehenden verbesserten Auftragslage des Büros in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt.

2. Beitrag der Büroinhaber zur beruflichen Fort- und Weiterbildung der angestellten Kammermitglieder

60 % der in Architektur- und Planungsbüros angestellten Kammermitglieder werden von ihrem Arbeitgeber für den Besuch beruflicher Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen vollständig und ohne Abzug von Urlaubstagen freigestellt. 24 % werden anteilig freigestellt, 16 % gar nicht. Unterschiede in Abhängigkeit von der Bürogröße sind in dieser Frage nicht festzustellen.

Die Kosten des Besuchs von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen werden bei 38 % der Angestellten in voller Höhe vom Arbeitgeber übernommen. Bei einem Viertel der Angestellten erstattet der Arbeitgeber einen Teil der Kosten. Die verbleibenden 37 % der Angestellten müssen die Kosten ihrer beruflichen Fort- und Weiterbildung vollständig selbst tragen. Differenziert nach Bürogröße zeigt sich, dass Angestellte in größeren Büros (20 Beschäftigte und mehr) die Kosten für die berufliche Fort- und Weiterbildung häufiger (zumindest anteilig) erstattet bekommen als Angestellte in kleineren Büros.

Aktive Förderung beim Aufbau von Spezialwissen

Gut die Hälfte (54 %) der in Architektur- und Planungsbüros angestellten Kammermitglieder wird vom Arbeitgeber aktiv beim Aufbau von spezialisiertem Fachwissen unterstützt. Deutlich überwiegend (78 % derer, die gefördert werden) erfolgt die Förderung ohne weitere Voraussetzungen. Bei rund einem Fünftel ist sie an die Bedingung einer längerfristigen Bindung an das Büro geknüpft. Mit zunehmender Bürogröße steigt der Anteil der Angestellten, die aktiv beim Aufbau von Spezialwissen gefördert werden. Etwa die Hälfte der Befragten aus Büros mit weniger als 20 Beschäftigten wird bei der Aneignung von Fachwissen unterstützt. Der Vergleichsanteil für Angestellte aus Büros mit 20 bis 49 Beschäftigten liegt bei 62 %, der für Angestellte aus Büros mit mehr als 50 Beschäftigten bei 73 %. 

3. Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen

Die in Architektur- und Planungsbüros angestellten Kammermitglieder sind mit den Rahmenbedingungen ihrer beruflichen Tätigkeit tendenziell zufrieden (Ø-Note 2,3 auf einer Skala von 1 = sehr zufrieden bis 5 = gar nicht zufrieden). 15 % der Befragten äußern sich sehr zufrieden mit ihrer Arbeitsstelle. Knapp die Hälfte (47 %) ist zufrieden. 28 % der in Architektur- und Planungsbüros angestellten Kammermitglieder sind in Teilen zufrieden mit dem formellen Rahmen ihrer Tätigkeit. Eher unzufrieden äußern sich 9 % der Befragten, 1 % ist gar nicht zufrieden. Signifikante Unterschiede in der Bewertung in Abhängigkeit von der Bürogröße sind nicht festzustellen.

4. Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind in erster Linie für Arbeitnehmer gedacht, die neben ihren beruflichen auch familiären Verpflichtungen im Sinne einer Betreuung minderjähriger Kinder oder pflegebedürftiger Familienmitglieder nachkommen müssen. Der Anteil der weiblichen und männlichen Befragten, die Kinder unter 18 Jahren haben bzw. eine pflegebedürftige Person betreuen, liegt unabhängig vom Geschlecht bei rund 50 %. Wird in diese Betrachtung zusätzlich einbezogen, ob die befragte Person teilzeit- oder vollzeittätig ist, zeigt sich, dass Frauen mit Kindern unter 18 Jahren oder Verantwortung für eine pflegebedürftige Person deutlich häufiger teilzeittätig sind (nämlich zu 74 %) als Männer in gleicher Situation (4 %).

Angebotene Arbeitszeitmodelle

70 % der in Architektur- und Planungsbüros angestellten Kammermitglieder arbeiten in einem Büro, das eine Gleitzeit oder variable Arbeitszeit anbietet. Ein festes Teilzeitmodell wird jedem zweiten Befragten geboten (53 %). 30 % können aus einem stufenweisen Teilzeitmodell auswählen. Mit 35 % besteht für rund ein Drittel der Befragten die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten.
(Halb-)Jahresarbeitszeit, Lang- bzw. Lebensarbeitszeitkonten und Sabbatical sind Modelle, die nur einem sehr kleinen Teil der in Architektur- und Planungsbüros angestellten Kammermitglieder zur Verfügung stehen (< 5 %). Jobsharing wird in keinem Büro angeboten. Differenziert nach Bürogröße gilt: Je größer das Büro, desto häufiger werden Gleitzeit, Teilzeit und Homeoffice angeboten. Die Möglichkeit eines Sabbatjahres besteht vor allem in großen Büros mit 50 und mehr Beschäftigten. Langzeitarbeitskonten (Jahreskonten, Lebenszeitarbeitskonten) werden unabhängig von der Bürogröße nur vereinzelt angeboten.

Die Analyse der angebotenen Arbeitszeitmodelle nach Betreuungsaufwand ergibt, dass Frauen mit minderjährigen Kindern bzw. pflegebedürftigen Angehörigen häufiger in Büros arbeiten, die Teilzeitmodelle anbieten. Männer in gleicher Situation sind häufiger in Büros angestellt, in denen es eine Gleitzeit gibt. Dieses Ergebnis kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass Männer mit minderjährigen Kindern ihre Arbeitszeit eher verschieben (z. B. um das Kind morgens zur Betreuungseinrichtung bringen zu können), während Frauen mit minderjährigen Kindern ihre Arbeitszeit oftmals einschränken, um Zeiten ohne externe Kinderbetreuung (z. B. nachmittags) abzudecken.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Gewünschte zusätzliche Arbeitszeitmodelle

Bezogen auf die Arbeitszeitmodelle, die vom eigenen Arbeitgeber bislang nicht angeboten werden, sollten die Befragten angeben, ob sie ein solches Angebot wünschen. Zusätzlich zum bestehenden Angebot gewünscht werden in erster Linie die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten (Homeoffice, 48 %) und Gleitzeitmodelle (47 %). Jeweils rund ein Fünftel der Befragten wünscht sich das Angebot stufenweiser Teilzeitmodelle, Langzeit- oder Lebensarbeitszeitkonten oder die Möglichkeit einer längeren Auszeit (Sabbatical). Feste Teilzeitmodelle und Halbjahres- bzw. Jahresarbeitszeitkonten werden von rund einem Zehntel der Angestellten gewünscht, die diese Modelle bislang nicht zur Auswahl haben.

Die Gruppe, die am stärksten auf Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf angewiesen ist (Frauen mit minderjährigen Kindern bzw. pflegebedürftigen Familienangehörigen), äußert seltener als andere den Wunsch nach zusätzlichen Arbeitszeitmodellen. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass sie bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, der ein für ihre Situation geeignetes Modell anbietet, so dass keine weiteren Angebote nötig sind. Männer mit minderjährigen Kindern, die überwiegend vollzeittätig sind, wünschen sich häufiger als andere eine Möglichkeit zur Teilzeittätigkeit. 

Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die Mehrheit der in Architektur- und Planungsbüros angestellten Kammermitglieder gibt an, ihr Arbeitgeber nehme bei der Urlaubs- und der Terminplanung besondere Rücksicht auf Beschäftigte mit Kindern (77 % bzw. 68 %). Die Möglichkeit zur Freistellung bei kranken Kindern besteht bei 61 % der Befragten. Auf eine Notfallbetreuung bei Ausfall der regulären Betreuung können 20 % der Angestellten zurückgreifen. Eine eigene Kinderbetreuung (Betriebskindergarten) wird nur in Einzelfällen angeboten.

Die Mehrheit der in Architektur- und Planungsbüros angestellten Kammermitglieder ist nicht der Ansicht, dass Beschäftigten mit familiären Verpflichtungen weniger verantwortungsvolle Aufgaben übertragen werden als anderen (62 %). Teilzeittätige Befragte sind signifikant häufiger als Vollzeittätige der Ansicht, dass Beschäftigte mit familiären Verpflichtungen weniger verantwortungsvolle Aufgaben erhalten als andere. Möglicherweise werden verantwortungsvollere Tätigkeiten tatsächlich, sofern die Personaldecke des Büros dies zulässt, eher an vollzeittätige Mitarbeiter gegeben. 

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