Wohnen statt Unterbringung

Mit dem Zustrom von mehr als einer Millionen Flüchtlingen im vergangenen Jahr hat das Thema Migration eine große Bedeutung und Aktualität erlangt, und zwar auf allen gesellschaftlichen, politischen und fachlichen Ebenen“, hob AKNW-Präsident Ernst Uhing am 21. Januar in seiner Begrüßung zur Fachtagung „Wohnen statt Unterbringung“ im Haus der Architekten hervor. „Viele der Menschen, die vor Krieg und Verfolgung in ihrer Heimat fliehen und zu uns gelangen, werden in unserem Land bleiben. Ihre Aufnahme und perspektivisch auch ihre Integration sind Aufgaben, die unsere gesamte Gesellschaft angehen – an ganz zentraler Stelle uns Architektinnen und Architekten sowie Planerinnen und Planer“, unterstrich Ernst Uhing.

29. Januar 2016von Jan Schüsseler

Auch AKNW-Vorstandsmitglied Prof. Rolf-Egon Westerheide hob in seiner Anmoderation hervor, dass durch die Kombination aus bestehenden Wohnungsengpässen und der Migrationswelle eine Verzehnfachung der Wohnungsbautätigkeit notwendig werde.

Über Zahlen und Fakten zu aktuellen Migrationsbewegungen informierte Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW in Bochum, die gut 130 Teilnehmer. Sie erläuterte den Einreiseprozess der Asylbewerber und ihre Verteilung auf die Bundesländer, nach der im Jahr 2015 auf NRW 232 000 Flüchtlinge entfielen. Naujoks bedauerte, dass Erstunterkünfte oftmals nicht in befriedigender Qualität zur Verfügung stünden und auch die Beratungs- und Betreuungsangebote nicht bedarfsgerecht seien.

Erfahrungen aus Nordafrika

Einen anderen Blick auf das Thema Flüchtlinge richtete Prof. Manuel Herz, Architekt aus Köln und Basel. Er stellte die Migrationsgeschichte der Sahrawis, einer maurischen Ethnie in der Westsahara, aus Marokko in die südalgerische Wüste dar. Anhand beeindruckender Bilder zeigte Prof. Herz, dass sich die Geflüchteten als Exilnation in großen Lagern von jeweils rund 40 000 Menschen selbst verwalten und eigene Institutionen bis hin zu informellen Ministerien geschaffen haben. Seine Botschaft: Flüchtlinge können ihr Leben auch unter schwierigen Umständen selbst organisieren, wenn die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen dies zulassen.

Praxisbeispiel: Flüchtlings-Wohnungen in Münster

Dieter Riepe, Architekt und Prokurist der Wohn+Stadtbau, Wohnungsunternehmen der Stadt Münster GmbH, stellte das politische Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen der Stadt Münster und die umfangreichen Baumaßnahmen zu dessen Umsetzungen seines Unternehmens vor. Die Stadt Münster bemühe sich, jedem Flüchtling 12 m2 Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Riepe betonte, dass politische Beschlüsse zur Flüchtlingsarbeit in Münster grundsätzlich einstimmig erfolgten. „Wir setzen dabei auf massive Bauweisen“, hob Dieter Riepe hervor.

"Stadtbaukasten" als Lösungsansatz

Konkrete Beispiele für aktuellen sozialen Wohnungsbau präsentierte der Darmstädter Architekt Florian Krieger. Durch eine bewusst einfache Materialwahl, sparsame Erschließung und kompakte Bauformen konnte sein Büro attraktive Geschosswohnungsbauten in mehreren süddeutschen Städten zu äußerst günstigen Kosten realisieren. Dennoch überzeugten die Bauten durch räumlich attraktive Grundrisse und funktionale Außenräume.

Die vorgestellten Projekte stießen auf reges Interesse. In der Diskussion wurde herausgestellt, dass derartige Bauten in Nordrhein-Westfalen nach der Richtlinie zur Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge gefördert werden können. Insbesondere Repräsentanten von Kommunen und Verantwortliche aus den Planungsdezernaten wiesen darauf hin, dass man sich von den Architektinnen und Architekten schnelle, konkrete Lösungen mit guter Qualität wünsche. 

Alle Vorträge zum Nachlesen

Vortrag Dieter Riepe, Wohn+Stadtbau Münster (PDF)

Vortrag Birgit Naujoks, Flüchtlingsrat NRW (PDF)

Vortrag Florian Krieger, Architekt (PDF)

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