„Digitale Unruhe“ als Produktiv-Potenzial

Wie die Digitalisierung der Planungs- und Bauwirtschaft und der Vormarsch „Künstlicher Intelligenz“ (KI) dazu beitragen können, unsere gebaute Umwelt klimaverträglicher, nachhaltiger und sozialer zu machen, beschrieb das Themenfeld des dritten und vierten „digital Monday“ der Architektenkammer NRW im März 2023.

29. März 2023von Christof Rose

„Wir müssen in Datenbanken erfassen, welches Material in bestehenden Gebäuden für künftige Projekte erneut verwendet werden kann, und wir müssen ab sofort für alle neuen Projekte einen Life-Cycle-Passport erstellen“, forderte Luise von Zimmermann vom Berliner Start-Up „Concular“ in ihrem Vortrag am 20. März. Nur auf diesem Weg werde das Konzept des „Urban Mining“, bei dem die existierenden Bauwerke einer Stadt als Rohstoffquelle betrachtet und genutzt werden, in relevanter Größenordnung Anwendung finden. Die junge Masterabsolventin der UdK Berlin im Fachbereich Architektur arbeitet als „Business Development Manager“ bei „Concular“. Das Unternehmen mit heute 35 Mitarbeitenden setzt sich seit etwa zehn Jahren für eine kreislaufgerechte Bauwirtschaft ein.

In den zurückliegenden drei Jahren habe „Concular“ etwa 250 Projekte begleitet. „Trotzdem handelt es sich vielfach noch um Experimente oder Vorzeigebauten“, räumte Luise von Zimmermann ein. Sie betonte aber, dass verbaute Ziegel, Dachpfannen und Stahlträger, aber auch Leuchten und Einbauten oftmals hervorragend rückgebaut, aufbereitet und dann - zertifiziert - neu verwendet werden könnten.

Bei der Erfassung und Analyse von Bestandsgebäuden könnten Aufnahme von Drohnen-Kameras eine wichtige Unterstützung leisten, erklärte Alexander Engelfried. Der Geschäftsführer des Start-Ups „Fair Fleet“ aus München stellte das Angebot seines Unternehmens vor, das mit aktuell etwa 4000 Piloten überall in Europa und darüber hinaus Luftaufnahmen von Bauwerken mithilfe von Drohnen realisiert. „Die Drohne ist zunächst nur eine Kamera am Hubschrauber“, meinte Alexander Engelfried. „Das Intelligente ist die Technik dahinter.“ So könnten aus den detailscharfen Aufnahmen Datensätze generiert werden, die unmittelbar in digitale Planungsprogramme eingespeist werden könnten.

„Fair Fleet“ bietet darüber hinaus auch Schadenskartierungen und „Thermalinspektionen“ an. Im Auftrag der Europäischen Union fliegt das Unternehmen über Katastrophenbereiche wie das Ahrtal nach dem Hochwasser, um Schäden zu ermitteln oder drohende Gefahren aufzudecken.

Architektur im KI-Zeitalter

Neben solchen technischen Innovationen werde vor allem die „Künstliche Intelligenz“ (KI) das Planen und Bauen in den nächsten Jahren einen neuen Entwicklungsschritt bedeuten, prognostizierte Prof. Dr. Georg Vrachliotis, der an der Technischen Universität Delft (NL) den Lehrstuhl „Theory of Architecture and Digital Culture“ innehat. Der studierte Architekt und Philosoph stellte in einer historischen Analyse die Entwicklung der „Computer-Intelligenz“ mit den jeweiligen gesellschaftlichen Diskursen dar. „Schon in den 1960er Jahren wurde darüber diskutiert, ob Computer uns die Arbeit abnehmen werden“, stellte Vrachliotis fest.

Er sei hingegen zuversichtlich, dass Architektinnen und Architekten die neue Technologie nutzen würden, um ihre Kreativität noch freier entfalten zu können. „Wir erleben gegenwärtig eine digitale Unruhe“, diagnostizierte Prof. Georg Vrachliotis. Die künstliche Intelligenz könne aber helfen, die enormen Datenmengen, die heute zur Verfügung stünden, sinnvoll zusammenzuführen und zu nutzen. „Wir arbeiten an der TU Delft daran, von Plänen zu Plattformen zu kommen, auf den konstruktiver Austausch herrscht.“

Im Gespräch mit Moderator Christof Rose (Kommunikationsleiter AKNW) arbeitete Prof. Vrachliotis seine Vision für das Zeitalter der KI heraus: „Ich will die Disziplin Architektur für das Zeitalter der künstlichen Intelligenz intellektuell stärken und auf ein sozialeres Umfeld hinarbeiten.“

Ausführliche Nachberichte zu den digital Mondays

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