Fachrichtungsübergreifender Erfahrungsaustausch: "Vier gewinnt!?"

Wir sind vier Fachrichtungen, die in der Kammer zusammenarbeiten. Eng, vertrauensvoll, konstruktiv. Insofern passt der Titel unserer heutigen Veranstaltung aus meiner Sicht schon einmal sehr gut!“ Mit diesen Worten stimmte Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, rund 120 Kammermitglieder auf den ersten Erfahrungsaustausch in dieser Form ein, der am 24. November unter dem Titel „Vier gewinnt!? - Praxisorientierte Zusammenarbeit der vier Fachrichtungen“ in Mülheim an der Ruhr stattfand. Es gehe darum, Erfahrungen der Kooperation zwischen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung auszutauschen und dabei auch offen über Problemfelder und Stolpersteine zu sprechen.

07. Dezember 2022von Simon Adenauer

Zum Auftakt waren Vertreterinnen und Vertreter der Fachrichtungen aufgerufen worden, einen Gegenstand mitzubringen, der die jeweilige Fachrichtung repräsentieren sollte. Mit den Worten „Grün wächst nicht von allein“ zeigte die Landschaftsarchitektin Hiltrud Maria Lintel ein Mini-Ökosystem in einem Glas. „Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit ist die gegenseitige Wertschätzung. Dazu gehört ein Grundwissen, was die anderen Fachrichtungen machen“, unterstrich sie ihre These.

Prof. Rolf-Egon Westerheide (Vorstandsmitglied der AKNW) zeigte den Teilnehmenden ein Netz. „Langfristig stabile und robuste Netze sind entscheidend“, erläuterte der Architekt und Stadtplaner seine Auswahl. Dies gelte sowohl für die städtebaulich sichtbaren als auch für die nicht sichtbaren Netze - auf sozialer und kollegialer Ebene. „Für die Stadtplanung muss sich alles fügen!“ stellte Prof. Westerheide klar.

Der Kölner Architekt Georg Wintgen, wie Prof. Westerheide auch und Vorstandsmitglied der AKNW, konnte seinen Gegenstand aufgrund der Größe nicht mitbringen. Er zeigte ein Segelschiff in einem Kalender und wusste aus eigener Erfahrung zu berichten: „Es geht nicht ohne Mannschaft. Jeder ist an seinem Platz unersetzlich. Wir wollen hohe Baukultur betreiben, und das kann nur im Zusammenwirken von uns allen gelingen!“

Die Düsseldorfer Innenarchitektin Jutta Hillen verlieh ihrer Begeisterung für Innenräume Nachdruck: „Wir schaffen und bewirken etwas, was die Umwelt und Menschen prägt. Es ist entscheidend, dass wir für alle Disziplinen einen roten Faden festlegen, an den wir uns halten können“. Diesen roten Faden zeigte Jutta Hillen dann auch dem geneigten Publikum.

Auf die Nachfrage der Moderatorin Petra Voßebürger, wo die Schnittstellen zu anderen Fachrichtungen seien, antwortete Hiltrud Lintel für die Landschaftsarchitektur: „Insbesondere beim Hochbau und der Stadtplanung: Wir müssen das Grün in die Städte bringen und hybride Gebäude planen.“ Prof. Westerheide hob das Einfügen der Gebäude in die gestaltete Umwelt und die Notwendigkeit eines robusten Raumsystems hervor. Die Gestaltqualität und Baukultur war auch für Architekt Georg Wintgen die Klammer der Fachrichtungen. Was? Wer? Wo? - Das sind die Fragen, die Jutta Hillen zu Beginn eines jeden Projektes geklärt wissen möchte, um am Ende alles zusammen führen zu können und einen Raum zu schaffen, mit dem man sich identifizieren kann.

Anhand des Umbaus des Hertie-Gebäudes in Lünen zeigten die Innenarchitektin Gritt Bartels (Bartels & Klang GbR Innenarchitektur) und der Architekt Wolf-Eberhard Benthaus (benthaus architekten) ein Projekt, bei dem der Bauherr als oberstes Gebot ausgegeben hatte, „aus der Region für die Region“ zu bauen.

Bei dem „Restaurant Heimatgeschmack und Meisterfleischerei by Stolzenhoff“ stand die Qualität im Vordergrund, und so war es auch im Interesse des Bauherrn, dass sowohl die Innenarchitektur als auch den Hochbau ihre jeweiligen Kernkompetenzen einbringen konnten. Die beteiligten Büros waren sich einig, dass dies ein Glücksfall war. Denn oftmals sei es noch so, dass die Bauherrschaft aus Kostengründen die Frage stellt, warum die Aufgabe nicht auch nur eine Disziplin erfüllen kann.

Als weiteres Praxisbeispiel wurde das Erzbischöfliche Berufskolleg Köln dem interessierten Publikum gezeigt. Nach der Planung des Freiraums als Markierung und einer Platzsituation als Verbindung durch den Landschaftsarchitekten Matthias Förder (Förder Landschaftsarchitekten GmbH) und die Hochbauplanung durch Architekt Jens Mayerle (3pass Kusch Mayerle BDA Architekten Stadtplaner) wurde die Innenarchitektur erst zu einem späteren Zeitpunkt hinzugezogen. Prof. Sabine Keggenhoff (Planungsbüro Keggenhoff + Partner) berichtete, dass man im übertragenen Sinne einen Umbau in einem Neubau durchgeführt habe. Das architektonische Thema des „Haus im Haus“ und des fluiden Raums habe man im Innenraum sehr gut aufgreifen können. Dies zeige auch das Gesamtergebnis und die Auszeichnung mit dem „Schulbaupreis 2018“ durch das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen und die AKNW.

Die Vortragenden waren sich einig, dass Vertrauen in die jeweiligen Fähigkeiten der anderen Fachrichtung unverzichtbar sei; es aber auch klare Abgrenzungen in den Verträgen (auch aus Haftungsgründen), beim Budget und der Honorierung geben müsse.

Als letztes Beispiel wurden die Herausforderungen des „Zusammenspiels am Kur- und Gesundheitsstandort Aachen-Burtscheid“ im Rahmen eines Wettbewerbsverfahrens gezeigt. Vivien Ildikó Harmati (scape Landschaftsarchitekten) und Jonas Wiengarn (scheuvens + wachten plus planungsgesellschaft) zeigten einen Lösungsansatz für den geplanten Gesundheitsstandort, der einen offen zu legenden Bachlauf als grüne Mitte vorsieht, um positive Auswirkungen auf das Mikroklima und die Gesundheit der Kurgäste zu erzielen. Die beiden relativ jungen Planer berichteten, dass sie viel aus der Zusammenarbeit mitnehmen konnten. Die Themenentwicklung habe im Zusammenspiel von Landschaftsarchitektur und Stadtplanung sehr gut funktioniert. Klar wurde aber auch, dass im Studium die Kennzahlen aus dem Städtebau oft im Vordergrund stehen. So wurde angeregt, schon im Studium interdisziplinärer zu arbeiten und mehr gemeinsam als hintereinander zu arbeiten.

In der Abschlussrunde zur Perspektive aus dieser Veranstaltung wurde ein Staffelstab in Form eines Dreikants mit Maßstab innerhalb der Impulsrunde weitergeben. Hiltrud Maria Lintel bekräftigte hierbei den Blick auf die kommende Generation. Schon an den Hochschulen müssten die Zukunftsaufgaben fachrichtungsübergreifend vermittelt werden. Prof. Rolf-Egon Westerheide betonte den gegenseitigen Respekt, die notwendige Wertschätzung und das Arbeiten im eigenen Kompetenzbereich. Er regte ein interdisziplinäres Format an, dass sich insbesondere an junge Leute richten könnte. Georg Wintgen betonte, dass man auch die technischen Rahmenbedingungen und die Honorierung nicht aus den Augen verlieren dürfe. Jutta Hillen kam - so wie die gesamte Diskussionsrunde - zu dem Ergebnis, dass Veranstaltungen dieser Art weitergeführt werden sollten.

Präsentationen der Referent*innen

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